Gesellschaft
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Paro Nacional: Schusswaffen gegen Demonstranten
»Unterstützen wir das Recht der Soldaten und Polizei, ihre Waffen zu benutzen, um ihre Integrität zu verteidigen und um Menschen und Eigentum zu schützen …«. Mit diesem Tweet — der mittlerweile gelöscht wurde — hat Alvaro Uribe, Expräsident und ultrarechter Scharfmacher des »Centro Democratico« gehörig Öl in die Flammen deŕ Auseinandersetzungen um den nationalen Streik vom Mittwoch vergangener Woche, dem 28. April 2021, gegossen. Und diese Flammen loderten hoch. Am 28. April sind Tausende von Kolumbianern in allen Städten des Landes auf die Straße gegangen, um gegen eine von der Regierung Duque geplante Steuerreform zu protestieren. Eine Steuerreform, die vor allem diejenigen Bereiche betrifft, denen sich — wie die Mehrwertsteuer auf…
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Sozialaktivisten in Kolumbien der
»Rebellion gegen den Staat« beschuldigtAm selben Tag, an dem die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in einer Pressemitteilung die kolumbianische Regierung mit Nachdruck dazu aufgefordert hat, endlich konkrete Maßnahmen gegen die massiven Menschenrechtsverletzungen gegenüber Bauern, Indigenen und Angehörigen der afrokolumbianischen Minderheit zu ergreifen, zeigt der Staat eine Reaktion, die weltweit Befremden und Entsetzen ausgelöst hat. Anstatt die Aktivist*innen der sozialen Bewegungen, gegen die Übergriffe von paramilitärischen Kräften und bezahlten Killerkommandos besser zu schützen, wurde gestern mit einer koordinierten Aktion zur Verhaftung einiger ihrer Anführer begonnen. Besorgt fragen sich internationale Menschenrechtsbeobachter, ob dies nun der Auftakt zu einer staatlichen Verfolgungskampagne gegenüber oppositionellen Kräften ist, die von der rechts-konservativen Regierung Duque kriminalisiert werden, in dem ihnen “Rebellion gegen den…
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»Reichstagsbrand« in Bogotá?
Die dramatische — selbst aus dem Weltraum wohl lesbare — auf eine Mauer in Medellin gemalte Botschaft »Nos estan matando« (»Sie bringen uns um«) ist ein verzweifelter Hilferuf und hat die Weltöffentlichkeit — zumindest diejenige, die die Ereignisse in Kolumbien beobachtet — aufgeschreckt. Und in der Tat könnte einiges darauf hindeuten, dass wir gegenwärtig Zeugen des Beginns einer von rechtsradikalen Kreisen initiierten Hexenjagd sind, die auf linke und links-liberale Kräfte, auf Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten, auf Unterstützer des Friedensabkommens von 2016 sowie auf Angehörige von Minderheiten wie bespielsweise der LGTBI zielt. Was ist geschehen? Nach der Tötung eines Rechtsanwaltes im Polizeigewahrsam hatte es massive Proteste in Bogotá gegen Polizeigewalt gegeben. Es kam…
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Basta Ya! Proteste gegen die Tötungen in Kolumbien
Eine Reihe von Massakern, vor allem an jugendlichen Kolumbianern, hat in den vergangenen Tagen die Öffentlichkeit nicht nur in Kolumbien schockiert und alarmiert. Zusammen mit den in diesem Jahr ermordeten Menschenrechts- und Umwelt-Aktivisten hat das Land bereits über 200 Opfer gezielter Tötungen zu beklagen. Als Manifestation der Trauer und des Protestes, und um zu demonstrieren, dass die internationale Zivilgesellschaft die Vorkommnisse in Kolumbien sehr sorgfältig und mit großer Sorge beobachtet, fanden am Freitag und am Samstag letzter Woche in mehreren Städten Deutschlands Solidaritätsaktionen statt. In Berlin und in Frankfurt vor der kolumbianischen Botschaft bzw. dem Konsulat, in Bonn auf dem Platz der Vereinten Nationen vor dem UN-Gebäude. Im Zentrum der Aktion in…
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Zu den Ereignissen des 21. November
Wer Kolumbien kennt, weiß, dass es kaum ein anderes Land gibt, das eine größere Diversität in jeglicher Hinsicht zu bieten hat. Klimatisch, geografisch, biologisch, ethnisch, kulturell, musikalisch und vieles mehr. Der 21. November 2019, der Tag des Generalstreiks, war ein Tag, an dem diese Diversität in einer anderen Hinsicht deutlich wurde: An einunddemselben Tag konnten wir viele Kolumbien gleichzeitig sehen. Ein Kolumbien mit einer eindrucksvollen, würdevollen, ausgesprochen friedlichen und augelassenen Manifestation für die sozialen und politischen Rechte der Bevölkerung, mit einer klaren Oppositionsansage gegenüber der Regierung. »Una fiesta politica« wie einige der teilnehmenen Politiker, Journalisten, Künstler in Interviews während der Manifestation sagten. Dann aber sahen wir auch massive staatliche Repression,…
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Der Frieden ist nicht tot!
Einige Medien in Deutschland — aber auch in Kolumbien — vermitteln den Eindruck, dass die FARC den bewaffneten Kampf wieder aufgenommen hat und das Friedensabkommen damit praktisch tot sei. (so z.B. ND vom 29.8.2019 oder America-21 . Diesem Eindruck muss ganz klar widersprochen werden. Es ist eine kleine Gruppe von Dissidenten, die den bewaffneten Kampf wieder aufgenommen hat, aber die FARC als politische Partei und mit ihr die überwiegenden Mehrheit aller Ex-Guerilleros stehen zum Friedensprozess. Allerdings, und das ist das Traurige, sind unter den Dissidenten drei hochrangige ehemalige Kommandanten der FARC-EP. Unter ihnen sogar der Verhandlungsführer bei den Friedensgesprächen von Havanna Iván Márquez. Das macht die Sache außerordentlich kompliziert. Und…
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Zur Lage der indigenen Bevölkerung in Kolumbien
Seit mehreren Wochen protestieren indigene Gruppen in insgesamt vier Departamentos Kolumbiens (Huila, Nariño, Cauca, Valle de Cauca) gegen die schlechte Versorgungslage in ihren Gebieten, indem sie wichtige Durchgangsstraßen, darunter die »Pan Americana«, blockieren. In den letzten Tagen ist diese Auseinandersetzung eskaliert. Nachdem bei einer im Prinzip gewaltfreien und unbewaffneten indigenen Manifestation vor ein paar Tagen ein Polizist erschossen worden ist, starben gestern im Municipio Dagua (Departamento Valle de Cauca) in einer Versammlung von indigenen Gemeinschaften 8 Personen bei einer Explosion. Noch wird darüber gerätselt, ob es sich um ein Unglück oder ein gezieltes Attentat handelt. Die Tatsache, dass die Versammlung aber der Vorbereitung einer großen Kundgebung am kommenden Sonntag diente,…
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Ein gespaltenes Land
»Un Pais Dividida« titelt die kolumbianische Wochenzeitung »Semana« in ihrer neuesten Ausgabe. Es geht um die Unruhe, die hier entbrannt ist wegen der umstrittenen Entscheidung des Präsidenten, dem vom Kongress verabschiedeten »Ley Estatutaria de la JEP« seine Zustimmung zu verweigern. Die Opposition reagierte zwar scharf, aber dennoch scheint es eine Spaltung zu geben, die durch alle Parteien geht. Aus den Reihen der Konsvervativen, die ja Duque unterstützt haben und die Vizepräsidentin stellen, gab es kritische Stimmen, während aus der »Partido de U«, also die Partei, der Santos angehört, Verständnis zu hören war. Interessant ist die Auseinandersetzung zwischen dem »Fiscal« (Generalstaatsanwalt) Nestor Humberto Martínez einerseits, der schon immer zu den Kritikern…
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Sociocybernetics in Medellin
Ich freue mich sehr auf unsere diesjährige Jahreskonferenz des Research-Committee “Sociocybernetics”, der “Internationl Sociological Association” (ISA-RC-51), die erstmals in Kolumbien stattfinden wird. Dank der intensiven Bemühungen unserer kolumbianischen Kollegen Luciano Gallon von der “Pontificia Universidad Bolivariana”, Medellin, seiner Ehefrau Gloria Lodoño und Gabriél Velez von der “Universidad de Antioquia”, Medellin, sowie tatkräftiger Unterstützung aller Mitglieder des internationalen Konferenz-Kommittees kann die Konferenz, wie geplant, vom 20. bis 24. Juni in Medellin stattfinden. Ich werde in dieser Zeit bereits in Kolumbien sein und habe insofern eine kurze Anreise. Die Konferenzen der Soziokybernetischen Community sind immer sehr aktive Konferenzen. Die Teilnahme ist nur möglich über die Einreichung eines Präsentationsvorschlags und seiner Akzeptanz durch…
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Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare
Eine “historische Entscheidung mit sechs zu zwei Stimmen” nennt die kolumbianiche Zeitung “El Espectador” die gestern vom Verfassungsgericht getroffene Entscheidung, mit der der Weg für das Recht einer Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare freigemacht wurde (El Espectador v. 5.11.2015: “Corte Constitucional da vía libre a la adopción por parte de parejas del mismo sexo”).. Das Gericht stellte klar, dass “die sexuelle Orientierung einer Person oder eines Paares kein Indikator ist für die sittliche, körperliche oder geistige Eignung zur Adoption von Kindern”. Mehr als sechs Monate hatte das Verfassungsgericht sich mit einer der schwierigsten und auch umstrittensten Fragen in seiner Geschichte befasst. Nachdem es in Kolumbien bereits seit 2007 eingetragene…