Paro Nacional: Schusswaffen gegen Demonstranten
»Unterstützen wir das Recht der Soldaten und Polizei, ihre Waffen zu benutzen, um ihre Integrität zu verteidigen und um Menschen und Eigentum zu schützen …«. Mit diesem Tweet — der mittlerweile gelöscht wurde — hat Alvaro Uribe, Expräsident und ultrarechter Scharfmacher des »Centro Democratico« gehörig Öl in die Flammen deŕ Auseinandersetzungen um den nationalen Streik vom Mittwoch vergangener Woche, dem 28. April 2021, gegossen. Und diese Flammen loderten hoch.
Am 28. April sind Tausende von Kolumbianern in allen Städten des Landes auf die Straße gegangen, um gegen eine von der Regierung Duque geplante Steuerreform zu protestieren. Eine Steuerreform, die vor allem diejenigen Bereiche betrifft, denen sich — wie die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel — niemand entziehen kann, insbesondere nicht diejenigen, die nahezu ihr gesamtes Einkommen für Grundnahrungsmittel ausgeben müssen. Und diese Steuerreform sollte mitten in der Pandemie durchgesetzt werden, in einer Zeit also, die großen Teilen der Bevölkerung ihre Lebensgrundlagen zerstört hat.
Die Proteste verliefen zunächst größtenteils friedlich (zum Teil ausgelassen, wie viele Videos in den sozialen Medien zeigen), wurden dann jedoch von einer Randale provozierenden Minderheit zu vandalistischen Aktionen ausgenutzt. Ob hier wieder — wie bei vergangenen Demonstrationen nachgewiesen werden konnte — Agents Provocateurs im Spiel waren, lässt sich im Moment nicht sagen. Klar ist aber, dass die Polizei mit unverhältnismäßiger Gewaltanwendung eingriff und sich nicht davor scheute, Demontrationsteilnehmern tödliche Verletzungen beizubringen, wie das hier verlinkte Video, dass über Twitter veröffentlicht worden war, zeigt, wie ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei rücksichtlos in die Menschenmenge hineinrast:
Auch von der Schusswaffe wurde rücksichtslos und grundlos Gebrauch gemacht, wie diese Videos zeigen:
Und hier kann man wohl gar nicht anders als von gezielten Tötungsversuchen durch die staatlichen Sicherheitskräfte sprechen:
Zu beklagen sind mindestens 26 Tote, mehr als 400 verletzte, zum Teil verstümelte Menschen. 700 Personen wurden verhaftet. Überliefert sind Gewaltanwendungen gegenüber den Verhafteten, 10 Frauen berichteten von Vergewaltigungen, mindestens 56 Häftlinge sind seit Tagen verschwunden und die Polizei gibt keine Auskünfte über ihren Verbleib. Außerdem wurden zahlreiche willkürliche Hausdurchsuchungen durchgeführt.
Die sozialen Medien waren in den letzten Tagen voll von ersckreckenden Berichten, Fotos und Videos. Viele sind mittlerweile gelöscht worden. Das rücksichtslose Vorgehen der staatlichen Sicherheitskräfte hat sowohl die UNO als auch die Europäische Union zu Protestnoten veranlasst. So twittert UNHCR heute: “We are deeply alarmed at developments in the city of #Cali in #Colombia overnight, where police opened fire on demonstrators protesting against tax reforms, reportedly killing & injuring a number of people. State authorities must protect human rights”.
Dass die Regierung Duque, vor zwei Tagen die Steuerreformpläne zurückgezogen hat, scheint im Angesichts der fürchterlichen Ereignisse der letzten Tage und der immer ersckreckenderenden Menschrechtslage in Kolumbien nur noch eine Randnotiz zu sein.