Ein gespaltenes Land
»Un Pais Dividida« titelt die kolumbianische Wochenzeitung »Semana« in ihrer neuesten Ausgabe. Es geht um die Unruhe, die hier entbrannt ist wegen der umstrittenen Entscheidung des Präsidenten, dem vom Kongress verabschiedeten »Ley Estatutaria de la JEP« seine Zustimmung zu verweigern. Die Opposition reagierte zwar scharf, aber dennoch scheint es eine Spaltung zu geben, die durch alle Parteien geht. Aus den Reihen der Konsvervativen, die ja Duque unterstützt haben und die Vizepräsidentin stellen, gab es kritische Stimmen, während aus der »Partido de U«, also die Partei, der Santos angehört, Verständnis zu hören war. Interessant ist die Auseinandersetzung zwischen dem »Fiscal« (Generalstaatsanwalt) Nestor Humberto Martínez einerseits, der schon immer zu den Kritikern der JEP und des Acuerdo von Havanna gehörte, und anderseits dem »Procurador General de la Nación«, Fernando Carillo, der die Entscheidung von Duque kritisert. Der »Procurador General de la Nación« ist eine Institution, die so weit mir bekannt ist, eine Besonderheit des kolumbianischen politischen Systems darstellt und die man sich als eine Art »Oberaufsicht« über die Recht- und Ordnungsmäßigkeit der politischen Prozesse im Staat vorstellen muss, also eine keineswegs unwichtige Institution. Carillo war noch von Präsident Santos ernannt worden, nachdem er im Oktober 2016 mit 92 von 95 Stimmen im Senat zum Nachfolger des erzkonservativen Alejandro Ordóñez gewählt worden war. Die Zeitung »El Tiempo« sprach vor einigen Tagen von einem »kalten Krieg« der Partei Duques gegen den Procurador (El Tiempo, 18.3.2019).
Viel zu tun hat auch der kolumbianische »Canciller« (das ist die offizielle Bezeichnung für den Außenminister) Carlos Holmes Trujillo in diesen Wochen. Zunächst musste er in New York dem Generalsekretär der UNO, António Guterres, die Haltung des kolumbianischen Präsidenten erklären, Teilen der vorgesehenen gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung des im Friedensvertrag von Havanna vereinbarten und vom Kongress verabschiedeten Sonderjustiz für den Frieden die Unterschrift zu verweigern. Diese Haltung hatte nicht nur in Kolumbien zu heftiger Empörung geführt, sondern auch weltweit Irritationen ausgelöst. Die ablehnende Haltung, die Duque im Wahlkampf gezeigt hatte, scheint sich also zu bestätigen.
Anschließend reiste Holmes Trujillo nach Den Haag, dem Sitz des internationalen Strafgerichsthofs, um auch hier Rede und Antwort über die Haltung der kolumbianischen Regierung zu stehen. Denn es könnte durchaus sein, dass nun der internationale Strafgerichtshof sich in die Sache einmischt und Angelegenheiten, die eigentlich vor der JEP verhandelt werden sollten, an sich ziehen. »Colectivo de Abogados ‘José Alvear Restrepo’« Dies kann durchaus für die kolumbianische Regierung brisant sein, da gegenwärtig 29 Generäle und Oberste wegen außergerichtlicher Erschießungen angeklagt sind. Allerdings würde eine solche Entwicklung den Vereinbarungen von Havanna widersprechen und angesichts der hohen Zahl von Anklagen zu einem enormen Zeitproblem führen. Immerhin gibt es gegenwärtig 3.500 Anklagen gegen Ex-Kombattanten der FARC-EP sowie 1.950 Anklagen gegen Angehörige der nationalen kolumbianischen Streitkräfte.