Sozialaktivisten in Kolumbien der
»Rebellion gegen den Staat« beschuldigt
Am selben Tag, an dem die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in einer Pressemitteilung die kolumbianische Regierung mit Nachdruck dazu aufgefordert hat, endlich konkrete Maßnahmen gegen die massiven Menschenrechtsverletzungen gegenüber Bauern, Indigenen und Angehörigen der afrokolumbianischen Minderheit zu ergreifen, zeigt der Staat eine Reaktion, die weltweit Befremden und Entsetzen ausgelöst hat.
Anstatt die Aktivist*innen der sozialen Bewegungen, gegen die Übergriffe von paramilitärischen Kräften und bezahlten Killerkommandos besser zu schützen, wurde gestern mit einer koordinierten Aktion zur Verhaftung einiger ihrer Anführer begonnen. Besorgt fragen sich internationale Menschenrechtsbeobachter, ob dies nun der Auftakt zu einer staatlichen Verfolgungskampagne gegenüber oppositionellen Kräften ist, die von der rechts-konservativen Regierung Duque kriminalisiert werden, in dem ihnen “Rebellion gegen den Staat” zur Last gelegt wird. ( El Espectador, 16.12.2020; Colombia Informa, 15.12.2020.)
Das Netzwerk »Red de Hermandad y Solidaridad con Colombia (REDHER)« informierte gestern über die Verhaftungen von zwei ihrer Mitglieder, TEOÓFILO ACUÑA und ADELSO GALLO, Sprecher des Bündnisses »Cumbre Agraria Campesina Étnica y Popular«, am 15. Dezember 2020. Zudem wurde ROBERT DAZA, ein Bauernführer der CNA (Coordinador Nacional Agrario) im Departement Nariño, ebenfalls in den frühen Morgenstunden des 16. Dezember verhaftet.
Alle drei sind namhafte soziale Führungspersönlichkeiten, die in den letzten zwanzig Jahren für die Menschenrechte in Kolumbien eingetreten sind. ADELSO GALLO hatte bereits vor einigen Jahren das Vorgehen der transnationalen Konzerne scharf kritisert, die unterstützt von der Regierung dazu beitragen, »… die Ressourcen zu plündern, die Artenvielfalt zu zerstören und die Bevölkerung mit Bombenanschlägen und Massakern zu terrorisieren. Die geistigen Urheber wurden nicht vor Gericht gestellt, geschweige denn von der kolumbianischen Justiz verurteilt. Diese Verbrechen bleiben in völliger Straflosigkeit. Ein sozialer Aktivist, Gewerkschafter oder Bauernführer zu sein, ist gleichbedeutend damit, eine Rebellion zu begehen und ein Verbrecher zu sein, und dies wird mit dem Leben bezahlt, wobei die militärischen Kräfte eingesetzt werden und notfalls auf Justiz und Polizei zurückgegriffen wird.” (Vgl. https://www.arcoiris.com.co/2014/08/multitudinario-homenaje-a-las-victimas-de-la-masacre-de-cano-seco/)
REDHER befürchtet, dass es sich bei der Verhaftung um eine politisch konstruierte Anklage handelt, wie sie bereits 2007 und 2011 gegenüber TEOÓFILO ACUÑA wegen seiner prononcierten Rolle als soziale Führungspersönlichkeit praktiziert wurde, dann aber von der Generalstaatsanwaltschaft jeweils wieder zurückgenommen werden musste. Deshalb fordert REDHER auch eine unabhängige Untersuchung darüber, inwieweit eine politische Instrumentalisierung der Ermittlungs- und Justizbehörden vorliegt. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass die vielen Morde an Führungspersönlichkeiten von sozialen Bewegungen in den letzten Jahren eine so geringe Aufklärungsquote vorzuweisen haben.
In einer in spanischer, englischer und französischer Sprache verfassten Petition bittet REDHER um rasche internationale Unterstützung.