• Friedensprozess

    Friedensnobelpreis und die Zivilgesellschaft

    Man kann zu Juan Manu­el San­tos eine kri­tisch distan­zier­te Hal­tung ein­neh­men, aber die heu­te in Oslo bekannt gege­be­ne Ver­lei­hung des Frie­dens­no­bel­prei­ses an ihn ist zwei­fel­los eine sehr gute Nach­richt. Denn die­ser Preis ist auch eine Aus­zeich­nung für all die­je­ni­gen, die trotz erbit­ter­ter Wider­stän­de im Lan­de in den letz­ten Jah­ren immer wie­der für den Frie­dens­pro­zess ein­ge­tre­ten sind. Er ist also auch eine Aus­zeich­nung für die kolum­bia­ni­sche Zivil­ge­sell­schaft, die durch Akti­vi­tä­ten von indi­ge­nen Grup­pen, afro-kolum­bia­ni­schen Gemein­schaf­ten, Men­schen­rechts­be­we­gung, LGTB-Bewe­gung, Umwelt­schüt­zer, Gewerk­schaf­ten u.a.m. geprägt ist. San­tos hat den Mut gehabt, die­sen Weg als Ange­hö­ri­ger der tra­di­tio­nel­len poli­ti­schen Klas­se zu gehen und dar­an sein poli­ti­sches Schick­sal zu knüp­fen. Und er wuß­te sehr wohl, dass er…

  • Friedensprozess

    Nach dem Referendum: Was nun, Kolumbien?

    Der Schock sitzt tief. Die Mehr­heit der Kolum­bia­ner haben sich gegen den zwi­schen der Regie­rung und der FARC-Gue­ril­la in Havan­na aus­ge­han­del­ten Frie­dens­ver­trag aus­ge­spro­chen. Mit einer hauch­dün­nen Mehr­heit von ca. fünf­zig­tau­send Stim­men fiel die Ent­schei­dung. Bei einer Wahl­be­tei­li­gung, die man nicht anders als ent­täu­schend bezeich­nen kann. Zwar sind 37% für kolum­bia­ni­sche Ver­hält­nis­se gar nicht so schlecht, bei einer der­art wich­ti­gen Ent­schei­dung aber zu wenig. Und bei der Wahl­be­tei­li­gung wird in eini­gen Medi­en denn auch mit Erklä­rungs­ver­su­chen für das Desas­ter ange­setzt. Vie­le poten­zi­el­le Befür­wor­ter waren sich — so wird ver­mu­tet — der von den Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tu­ten pro­gnos­ti­zier­ten Zustim­mungs­mehr­heit zu sicher und sind dann aus wel­chen Grün­den auch immer zuhau­se geblie­ben, weil sie annah­men, auf…

  • Friedensprozess,  Landschaften und Orte

    Feierliche Unterzeichnung in Cartagena

    Heu­te war es soweit. Unter der Anwe­sen­heit von UN-Gene­ral­se­kre­tär Ban Ki Moon, und fast aller Staats­chefs aus Latein­ame­ri­ka, unter ihnen Raúl Cas­tro (Cuba), Michel­le Bache­let (Chi­le), Nicolás Madu­ro (Vene­zue­la), Rafa­el Cor­rea (Ecua­dor), Sal­va­dor Sáchez (El Sal­va­dor), Hora­cio Car­tes (Para­gu­ay), Enri­que Peña Nieto (Mexi­co), Jimi Mora­les (Gua­te­ma­la), Luis Guil­ler­mo Soli (Cos­ta Rica), Pedro Pablo Kuc­zyn­ski (Peru), Mau­ricio Macri (Argen­ti­ni­en), Juan Car­los Vare­la (Pana­ma), Dani­lo Medi­na Sán­chez (Domi­ni­ka­ni­sche Repu­blik), wur­de das in Havan­na ver­ein­bar­te Frie­dens­do­ku­ment zwi­schen der Regie­rung Kolum­bi­ens und der FARC-EP in einer fei­er­li­chen Zere­mo­nie von Prä­si­dent San­tos und Gue­ril­la­füh­rer Rodri­go Lon­do­ño (aka: Timo­león Jimé­nez, aka: Timo­chen­ko) unter­zeich­net. Die Unter­zeich­nung fand auf der gro­ßen “Pla­za de Ban­de­ras” vor dem “Cen­tro de…

  • Friedensprozess,  Landschaften und Orte,  Persönliche Beobachtungen

    Quibdo

    Seit eini­gen Tagen befin­den wir, Con­stan­za und ich, uns in Quib­do, der Haupt­stadt des Depart­a­ment­os Cho­co. Wir besu­chen Ursu­la Holz­ap­fel und Ulli Koll­witz. Mit bei­den haben wir im Ver­ein Wis­sens­kul­tu­ren e.V. in den letz­ten Jah­ren meh­re­re Ver­an­stal­tun­gen zu Kolum­bi­en ins­be­son­de­re zur Situa­ti­on im Cho­co, durch­ge­führt. Nun haben wir es end­lich geschafft, der Ein­la­dung nach Quib­do fol­gen zu kön­nen. Con­stan­za und ich waren vor vie­len Jah­ren — es war in den 80er des vori­gen Jahr­hun­derts — schon ein­mal für ein paar Tage in Quib­do und waren gespannt, was sich seit die­ser Zeit ver­än­dert hat. Ich habe in Erin­ne­rung, dass die Stadt aus einer Viel­zahl von Holz­häu­sern bestand, die dem häu­fi­gen Regen…

  • Friedensprozess

    Tom Koenigs’ zweiter Bericht

    Der deut­sche Son­der­be­auf­trag­te für den Frie­dens­pro­zess in Kolum­bi­en, Tom Koe­nigs, hat sei­nen zwei­ten Bericht vor­ge­legt. Das, was ich an sei­nem ers­ten Bericht kri­ti­siert habe, näm­lich, dass Uner­wähnt­las­sen der para­mi­li­tä­ri­schen Akti­vi­tä­ten hat er nun dan­kens­wer­ter­wei­se nach­ge­holt. Und er hat es sehr gründ­lich getan, so dass sei­ner Ana­ly­se kaum etwas hin­zu­zu­fü­gen ist. “Die Nach­fol­ger des Para­mi­li­ta­ris­mus (NdP) ste­hen im kras­sen Wider­spruch zu allen Prot­ago­nis­ten (Gue­ril­la, Regie­rung, Zivil­ge­sell­schaft, Opfer usw.) und Inhal­ten (Land­wirt­schafts­re­form, Opfer­ent­schä­di­gung, Land­rück­ga­be, Ende der Dro­gen­wirt­schaft, Gerech­tig­keit, Nicht-Wie­der­ho­lung usw.) der Frie­dens­ver­trä­ge. Sie bedro­hen ihre Umset­zung akut. (…) Die Grup­pen selbst geben sich ent­we­der poli­ti­sie­rend euphe­mis­ti­sche Namen (z.B. mili­ci­as gai­ta­ni­s­tas unter Beru­fung auf den cha­ris­ma­ti­schen Volks­tri­bun der 1940 Jah­re Jor­ge Gai­tán) oder…

  • Friedensprozess

    Uribistas und Paramilitarismus verhindern den Friedensschluss

    Die Hoff­nung, die Frie­dens­ver­hand­lun­gen in Havan­na mit der Unter­zeich­nung des Ver­tra­ges am 23. März 2016 abzu­schlie­ßen haben sich lei­der vor­erst zer­schla­gen. Wor­an genau es geschei­tert ist, ist unklar, aber durch­ge­si­ckert ist, dass es die Hal­tung zu den rechts­ge­rich­te­ten para­mi­li­tä­ri­schen Ver­bän­den war, über die man sich nicht eini­gen konn­te. Das, was ich in eini­gen der vor­her­ge­hen­den Arti­kel beschrie­ben hat­te, näm­lich dass die Para­mi­li­tärs begon­nen haben, sich in Posi­ti­on zu brin­gen, um das durch den Rück­zug der FARC ent­ste­hen­de Macht­va­ku­um in bestimm­ten Regio­nen aus­zu­fül­len, ist selbst­ver­ständ­lich auch den Ver­hand­lungs­de­le­ga­tio­nen in Hava­na nicht ver­bor­gen geblie­ben. Die­se Ent­wick­lung steht in kras­sem Wider­spruch zu den Zie­len des Frie­dens­pro­zes­ses und bedroht die Hoff­nung aller Betei­lig­ten, v.a.…

  • Friedensprozess

    Tom Koenigs’ Schweigen

    Es ist eine para­do­xe Sitau­ti­on: Wäh­rend die Hoff­nung auf den Abschluss eines Frie­dens­ver­tra­ges zwi­schen der kolum­bia­ni­schen Regie­rung und der FARC gestie­gen und ein Frie­den tat­säch­lich in greif­ba­re Nähe gerückt ist, hat die Zahl der poli­tisch moti­vier­ten Mor­de in Kolum­bi­en  2015 zuge­nom­men. Wäh­rend bereits im Dezem­ber die Men­schen­rechts­kom­mis­si­on der UNO dar­auf auf­merk­sam gemacht hat, dass in Kolum­bi­en 2015 mehr Men­schen aus poli­ti­schen Moti­ven umge­bracht wur­den als im Jah­res­durch­schnitt der letz­ten zwan­zig Jah­re (UNHR: comu­ni­ca­do de pren­sa). In einer am 19. Novem­ber 2015 ver­öf­fent­lich­ten Pres­se­er­klä­rung macht der Hoch­kom­mis­sar der Ver­ein­ten Natio­nen für Flücht­lin­ge (UNHCR) dar­auf auf­merk­sam, dass er zwi­schen 1994 und 2015 ins­ge­samt 729 poli­ti­scher Mor­de in Kolum­bi­en ver­zeich­net hat, davon allein…

  • Persönliche Beobachtungen

    Bodyguards der Armen

    Wer in Bogo­tá lebt ent­wi­ckelt eine ande­re Sen­si­bi­li­tät für Gefah­ren, die einem von Per­so­nen mit unlau­te­ren Absich­ten dro­hen kön­nen, als jemand, der in Bonn lebt. Zwei­fel­los wird auch in Bonn bei einem nächt­li­chen Fuß­weg von einer Par­ty nach Hau­se die Auf­merk­sam­keit gestei­gert, wenn man Schrit­te in sei­ner Nähe hört. Aber solan­ge die kör­per­ei­ge­nen Alarm­sen­so­ren nicht außer­ge­wöhn­li­che Bewe­gun­gen des Ande­ren mel­den, die man — zu Recht oder zu Unrecht — als beun­ru­hi­gend wer­tet, bleibt man doch rela­tiv gelas­sen. In Bogo­tá ist das etwas anders. Schon tags­über mel­den die Sen­so­ren sofort, wenn eine Per­son sich zu nah befin­det, zu lan­ge hin­ter einem her­geht oder um Aus­kunft nach einer Adres­se bit­tet. Freund oder…

  • Friedensprozess

    So wird das nix! Aufflammende paramilitärische Gewalt
    könnte alles in Frage stellen

    Wie kann ein dau­er­haf­ter Frie­den in Kolum­bi­en aus­se­hen, wenn zwar die Regie­rung mit der FARC in Havan­na seit Jah­ren ver­han­delt, gleich­zeiitg aber den ter­ro­ris­ti­schen Aktio­nen rechts­ge­rich­ter Para­mi­li­tärs nichts ent­ge­gen­setzt wird? Die­se Fra­ge muss man sich heu­te, nach einer Serie äußerst besorg­nis­er­re­gen­der Vor­fäl­le, durch die allein im Novem­ber 2015 meh­re­re bekann­te Men­schen­rechts­ver­tre­ter  nicht  nur bedroht son­dern lei­der auch Opfer para­mi­li­är­i­scher Ter­ror­ak­te gewor­den sind, stel­len. Am 9. Okto­ber wur­de JOHN JAIRO RAMÍREZ OLAYA aus sei­nem Haus in Buen­a­ven­tura, der Hafen­stadt an der kolum­bia­ni­schen Pazi­fik­küs­te (Depart­a­men­ta Val­le de Cau­ca) von 10 Para­mi­li­tärs ent­führt und anschlie­ßend ermor­det. Weni­ge Tage spä­ter, am Nach­mit­tag des 13. Novem­ber wur­de der Umwelt- und Men­schen­rechts­ak­ti­vist DANIEL ABRIL, Mit­glied des…

  • Landschaften und Orte,  Persönliche Beobachtungen

    Getsemani

    Ges­tern waren Con­stan­za und ich nach län­ge­rer Zeit mal wie­der in Get­se­ma­ni, einem der vier Stadt­vier­tel Car­ta­genas, die von der gro­ßen Ver­tei­dungs­mau­er umge­ben ist, die die Spa­ni­er wäh­rend ihrer Kolon­al­herr­schaft hier zum Schutz gegen Pira­ten errich­tet hat­ten. Get­se­ma­ni ist inso­fern etwas Beson­de­res, als es noch immer eine  Sozi­al­struk­tur besitzt, in der sich Tou­ris­mus und gewach­se­ne Urba­ni­tät noch die Waa­ge hal­ten. Wäh­rend in den bei­den ande­ren inner­halb der ummau­er­ten Stadt lie­gen­den Bar­ri­os  San­to Dom­in­go (Cen­tro) und San Die­go nahe­zu alle klei­nen Gemischt­wa­ren­ge­schäf­te und Hand­wer­ker, die wir vor zehn Jah­ren dort noch vor­ge­fun­den hat­ten,  ver­schwun­den sind und an ihre Stel­le Juwe­lier­lä­den, Bou­ti­quen, Sou­ve­nier­lä­den und Luxus­re­stau­rants getre­ten sind, macht Get­se­ma­ni (noch) einen ganz…