Tom Koenigs’ zweiter Bericht
Der deutsche Sonderbeauftragte für den Friedensprozess in Kolumbien, Tom Koenigs, hat seinen zweiten Bericht vorgelegt. Das, was ich an seinem ersten Bericht kritisiert habe, nämlich, dass Unerwähntlassen der paramilitärischen Aktivitäten hat er nun dankenswerterweise nachgeholt. Und er hat es sehr gründlich getan, so dass seiner Analyse kaum etwas hinzuzufügen ist. “Die Nachfolger des Paramilitarismus (NdP) stehen im krassen Widerspruch zu allen Protagonisten (Guerilla, Regierung, Zivilgesellschaft, Opfer usw.) und Inhalten (Landwirtschaftsreform, Opferentschädigung, Landrückgabe, Ende der Drogenwirtschaft, Gerechtigkeit, Nicht-Wiederholung usw.) der Friedensverträge. Sie bedrohen ihre Umsetzung akut. (…) Die Gruppen selbst geben sich entweder politisierend euphemistische Namen (z.B. milicias gaitanistas unter Berufung auf den charismatischen Volkstribun der 1940 Jahre Jorge Gaitán) oder betonen die lokale Clanzugehörigkeit (Clan Úsuga). Gemeinsam ist ihnen äußerste Brutalität gegenüber gegnerischen bewaffneten Formationen und der Zivilgesellschaft, Verbindung zu Drogenkartellen, Schmugglern und illegalen Geschäften aller Art, mancherorts Nähe zu privaten Sicherheitskräften oder anderen Gewaltakteuren und schließlich eine gemeinsame Geschichte mit den Paramilitärs (Autodefensas Unidos de Colombia – AUC), die vor 15 Jahren noch landesweit organisiert waren. (T. Koenigs: Zweiter Bericht über den Friedensprozess in Kolumbien, 30.4.2016). Zuzustimmen ist auch Koenigs Einschätzung der Einbettung der Paramilitärs in das soziale Gefüge Kolumbiens: “Die Verbindung zu Unternehmen und Grundbesitz ist nicht nur historisch: Auf einer Versammlung der Grundbesitzer, zu der sogar der örtlich zuständige Bischof eigens eingeladen worden war, drohten diese noch vor kurzem (2015) ganz offen mit den neuen Paramilitärs, als bewaffnete Reserve, falls der Staat ihre (in diesem Fall Zoll- und Export-) Privilegien antaste. Anders als vor der Teil-Demobilisierung unter Uribe erklären sie aber der Regierung von heute (Santos) nicht mehr ihre Unterstützung.” (ebd.) Aber die Paramilitärs scheinen sich dennoch ihrer Unterstützung durch einen großen Teil der sogenannten “Elite” Kolumbioens sicher zu sein. Koenigs berichtet: “Am 11.04.2016 hinterließ eine Gruppe, die sich „Autodefensas Gaitanistas de Colombia“ nennt, in Cali in dem Büro der nationalen Organisation der Opfer von Staatsverbrechen MOVICE ein Pamphlet, das u.a. erklärt: ‘Wir wiederholen unsere Position auf nationaler, Bezirks- und Gemeindeebene… Wir haben begonnen, alle diese linken Ratten und Dreckschweine (ratas gonoreas, hijos de puta izquierdistas), Aktivisten, Verteidiger der Menschenrechte und des Friedensprozesses, Indigenenführer, Mitglieder des Volkskongresses (congreso de los pueblos) und Unterstützer der Guerilla, Gewerkschafter auszurotten (venimos exterminando), wir wissen schon, wo sie sich verstecken… Wir erklären als militärisches Ziel alle, die sich als Verteidiger der Arbeiter verkleiden und in den verschiedenen Organisationen sammeln…’“ (T. Koenigs: 2 Bericht …).
Welchen Ausweg sieht Koenigs? Ohne eine Zusammenarbeit mit den Uribistas wird die Zurückdrängung des Paramilitarismus nicht gelingen. Aber da gibt es eigentlich wenig Analss zu Optimismus: Denn bisher hat “weder die versöhnliche Einladung Obamas zum 15. Jahrestag des ‘Plan Colombia’ noch die Initiativen des früheren Generalsekretärs der UN Kofi Annan zum Erfolg geführt”. Dementsprechend klingt sich Koenigs Schlussfolgerung fast ein wenig hilflos, wenn er an die Internationale Gemeinschaft appelliert, gemeinsam mit den kolumbianischen Parlamentariern “weiter (zu) versuchen, die Basis zur Unterstützung des Friedens zu erweitern; andernfalls gingen nach einem – und die Umfragen bewegen sich in bedenklicher Weise in diese Richtung – Scheitern des Referendums vor allem die Paramilitärs gestärkt, ja fast legitimiert aus dem Prozess hervor und beide Guerillagruppen und der kolumbianische Staat würden den Krieg fortsetzen müssen.”