• Friedensprozess,  Gewalt

    »¡Ni uno mas!«

    ¡Ni uno mas! — Unter die­sem Mot­to demons­trier­ten Men­schen heu­te nicht nur in Kolum­bi­en son­dern welt­weit gegen die fort­ge­setz­te Gewalt gegen Men­schen­rechts- und Frie­dens­ak­ti­vis­ten. In Kolum­bi­en sind seit der Unter­zeich­nung des Frie­dens­ab­kom­mens Ende 2016 die Anzahl der Mor­de an Aktivist*innen alar­mie­rend ange­stie­gen. Allein zwi­schen Dezem­ber 2016 und August 2018 wur­den mehr als 300 Bäuer*innen, Ange­hö­ri­ge indi­ge­ner Völ­ker, Stu­die­ren­de, Lehrer*innen, Afro- Nach­fah­ren, sowie Politiker*innen ermor­det, weil sie ihre Ter­ri­to­ri­en, die Umwelt und ihre Rech­te ver­tei­dig­ten, anders dach­ten und sich für den Frie­den enga­gier­ten. Die bis­her ohne­hin schlep­pen­de Umset­zung des Frie­dens­ab­kom­mens zwi­schen der FARC-Gue­ril­la und der schei­den­den Regie­rung unter Prä­si­dent Juan Manu­el San­tos läuft Gefahr zu schei­tern, da der neue Prä­si­dent Iván…

  • Landschaften und Orte,  Persönliche Beobachtungen

    Caño Cristales

    Schon lan­ge war es unser Wunsch, ein­mal den legen­dä­ren Caño Cris­tales zu besu­chen. Aber jahr­zehn­te­lang war es Rück­zugs- und Ein­fluss­ge­biet der Gue­ril­la und auch Schau­platz erbit­ter­ter mili­tä­ri­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen. Dem­zu­fol­ge war es lan­ge Zeit eine Art tou­ris­ti­scher No-Go-Area. Erst seit dem Frie­dens­ba­kom­men zwi­schen der Regie­rung und der FARC-Geu­r­il­la im Jahr 2016 ist es wie­der mög­lich, gefahr­los hier­her zu rei­sen. Aber nach wie vor ist die star­ke Mili­tär­prä­senz unüber­seh­bar, wie sich bereits bei unse­rer Ankunft auf dem klei­nen Flug­platz von »La Mac­a­re­na« zeigt. Der Caño Cris­tales wird oft — und nicht nur von Kolum­bia­nern — als der schöns­te Fluss der Welt ange­se­hen. Wegen sei­ner Far­ben­viel­falt wird er als »Fünf-Far­ben-Fluss« oder auch als „Flüs­si­ger…

  • Friedensprozess

    Scheitert Kolumbien?

    Enri­que Ser­ra­no hat in sei­ner 2016 erschie­ne­nen Ana­ly­se nicht mehr die Fra­ge des “ob” gestellt, son­dern bereits danach gefragt “¿Por Qué Fra­ca­sa Colom­bia?”. Ich hielt das bis heu­te immer für ein wenig vor­ei­lig, bin aber mitt­ler­wei­le nicht mehr so sicher, ob mein Opti­mis­mus die nächs­ten Jah­re durch­hal­ten wird. Im Moment hal­ten wir uns in Deutsch­land auf und bekom­men die Nach­rich­ten über die Ent­wick­lung des Frie­dens­pro­zes­ses über die Medi­en und über Berich­te von Freun­den und Ver­wand­ten. Und die­se Berich­te sind alles ande­re als geeig­net, Opti­mis­mus und Zuver­sicht zu ver­brei­ten. Auf allen Ebe­nen scheint die Umset­zung des Frie­dens­ver­tra­ges zu sto­cken. Die Ver­sor­gung in den 23 “Zonas Ver­eda­les” und 8 “Cam­pa­ment­os”, in denen…

  • Friedensprozess,  Geschichte,  Gewalt,  Landschaften und Orte,  Persönliche Beobachtungen

    Medellin und seine “Comuna 13”

    Die Medel­lin-Kon­fe­renz des RC-51 ist been­det. Für mich war es eine beson­de­re Ehre, dass mein Vor­trag vom Orga­ni­sa­ti­ons­kom­mit­tee der Kon­fe­renz als “Clo­sing Pre­sen­ta­ti­on” fest­ge­legt wur­de. So hat­te ich über eine Stun­de Zeit, mei­ne Sicht der Din­ge über den kolum­bia­ni­schen Frie­dens­pro­zess dar­zu­le­gen und es blieb auch noch aus­rei­chend Zeit, um mit den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dar­über zu dis­ku­tie­ren. Mei­ne Sor­ge, dass die kolum­bia­ni­schen Kol­le­gen an der Legi­ti­mi­tät eines sol­chen Vor­tra­ges zwei­feln könn­ten, erwies sich im Nach­hin­ein als voll­kom­men unbe­grün­det. Die Dis­kus­si­on war aus­ge­spro­chen soli­da­risch und konstruktiv. Micha­el Paet­au wäh­rend des Vor­tra­ges (Foto: Alex­an­der Exque­me­lin, Wikipedia) Es war rei­ner Zufall aber die sich am Wochen­en­de anschlie­ßen­de gemein­sa­me Stadt­er­kun­dung soll­te sich wie eine…

  • Friedensprozess,  Gesellschaft,  Landschaften und Orte,  Persönliche Beobachtungen

    Sociocybernetics in Medellin

    Ich freue mich sehr auf unse­re dies­jäh­ri­ge Jah­res­kon­fe­renz des Rese­arch-Com­mit­tee “Socio­cy­ber­ne­tics”, der “Inter­na­ti­onl Socio­lo­gi­cal Asso­cia­ti­on” (ISA-RC-51), die erst­mals in Kolum­bi­en statt­fin­den wird. Dank der inten­si­ven Bemü­hun­gen unse­rer kolum­bia­ni­schen Kol­le­gen Lucia­no Gal­lon von der “Pon­ti­fi­cia Uni­ver­si­dad Boli­va­ria­na”, Medel­lin, sei­ner Ehe­frau Glo­ria Lodo­ño und Gabriél Velez von der “Uni­ver­si­dad de Antio­quia”, Medel­lin, sowie tat­kräf­ti­ger Unter­stüt­zung aller Mit­glie­der des inter­na­tio­na­len Kon­fe­renz-Kom­mit­tees kann die Kon­fe­renz, wie geplant, vom 20. bis 24. Juni in Medel­lin statt­fin­den. Ich wer­de in die­ser Zeit bereits in Kolum­bi­en sein und habe inso­fern eine kur­ze Anrei­se. Die Kon­fe­ren­zen der Sozio­ky­ber­ne­ti­schen Com­mu­ni­ty sind immer sehr akti­ve Kon­fe­ren­zen. Die Teil­nah­me ist nur mög­lich über die Ein­rei­chung eines Prä­sen­ta­ti­ons­vor­schlags und sei­ner Akzep­tanz durch…

  • Friedensprozess

    Bemerkungen zur Geschichte der Gewalt in Kolumbien

    Die Geschich­te der Gewalt, oder genau­er gesagt, der wie es scheint unhin­ter­frag­ten Durch­set­zung von Macht mit Hil­fe von Gewalt, beginnt bereits mit der Grün­dung des Staa­tes. Oder noch frü­her, mit der Aus­ru­fung der Unab­hän­gig­keit 1810. Gabri­el Gar­cía Már­quez spricht in sei­nem Erin­ne­rungs­buch “Vivir para con­tar­la” hin­sicht­lich der dort geschil­der­ten Ereig­nis­se der “Vio­len­cia” (1948 — 1953) von einem Bür­ger­krieg, “der uns seit der Unab­hän­gig­keit von Spa­ni­en beglei­tet hat­te und nun bereits die Uren­kel der ursprüng­li­chen Prot­ago­nis­ten ereil­te” (S. 344). Wie ich in mei­nen his­to­ri­schen Exkur­sen über die Unab­hän­gigs­keits­be­we­gung Neu­gra­na­das und den Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Zen­tra­lis­ten und Föde­ra­lis­ten noch wäh­rend der Geburt der Repu­blik zu zei­gen ver­sucht habe, wur­den die Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten über die…

  • Friedensprozess,  Persönliche Beobachtungen

    Die Frage der Gewalt

    Wer nach Kolum­bi­en reist oder dort wohnt muss damit leben, stän­dig einem Wech­sel­bad der Gefüh­le aus­ge­setzt zu sein. Wäh­rend uns einer­seits die atem­be­rau­ben­de Schön­heit des Lan­des und die Lie­bens­wür­dig­keit sei­ner Bewoh­ner, die Viel­falt der Natur, der Eth­ni­en und der Kul­tu­ren fas­zi­niert, wer­den wir gleich­zei­tig Zeu­gen von Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und sozia­ler Gewalt, die nicht nur die Besu­cher aus Euro­pa oft in tie­fer Bestür­zung zurück las­sen. Seit fast einem hal­ben Jahr­hun­dert berei­se ich die­ses Land, und seit eini­gen Jah­ren leben Con­stan­za und ich zeit­wei­se in Bogo­tá. Ohne jeden Zwei­fel habe ich die­ses Land lie­ben gelernt. Aber die­se eigen­tüm­li­che Wider­sprüch­lich­keit zwi­schen Lie­be und Gewalt gibt mir bis heu­te Rät­sel auf. Und das, obwohl die…

  • Friedensprozess

    Ein anderes Kolumbien (III): Streitpunkt Sonderjustiz

    Die im Frie­dens­ver­trag ver­ein­bar­te Son­der­ge­richts­bar­keit war und ist eines der wich­tigs­ten Streit­punk­te in der kolum­bia­ni­schen Öffent­lich­keit. Immer wie­der wird einem von Skep­ti­kern oder Geg­nern des Frie­dens­ab­kom­men ent­ge­gen­ge­hal­ten, dass es doch nicht rich­tig sei, die Ver­bre­chen der Gue­ril­la unbe­straft zu las­sen. Abge­se­hen davon, dass die­se Aus­sa­ge nicht die Wahr­heit über die Son­der­ge­richts­bar­keit trifft, wer­den dabei die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, die der kolum­bia­ni­sche Staat sich — vor allem in den 80er und 90er Jah­ren — hat zu Schul­den kom­men las­sen, igno­riert. Doch gera­de hier­in sehe ich eine der größ­ten Leis­tun­gen der Regie­rung unter von Manuél San­tos, dass sie die­se Schuld aner­kannt hat und dadurch einen ent­schei­den­den Bei­trag zur Öff­nung des Weges in den Frie­den…

  • Friedensprozess

    Ein anderes Kolumbien (II): Demokratische Öffnung

    Im zwei­ten Abschnitt des Frie­dens­ab­kom­mens geht es um die demo­kra­ti­sche Mit­wir­kung aller Kolum­bia­ner bei der Gestal­tung des Frie­dens. Ohne eine demo­kra­ti­sche Öff­nung wird es kei­nen erfolg­rei­chen und nach­hal­ti­gen Frie­den geben, so die Über­zeu­gung bei­der Ver­trags­par­tei­en. Die unten skiz­zier­ten Ver­ein­ba­run­gen beschrei­ben drei Zie­le einer  Demo­kra­ti­sie­rung des Lan­des: Ers­tens eine gene­rell grö­ße­re Bür­ger­be­tei­li­gung in allen poli­ti­schen und öffent­li­chen Ange­le­gen­hei­ten, zwei­tens die Aus­wei­tung der Demo­kra­tie als ein Weg, um die Gewalt im Lan­de bei­zu­le­gen, und drit­tens den in Kolum­bi­en so tief sit­zen­den und his­to­risch ver­fes­tig­ten Zusam­men­hang zwi­schen poli­ti­scher und gewalt­sa­mer — auch bewaff­ne­ter — Aus­ein­an­der­set­zung aufzubrechen. Dem­entspre­chend weit­rei­chend sind die ver­ein­bar­ten Zie­le, die sich in den fol­gen­den Eck­punk­ten zusam­men­fas­sen lassen: Die Absi­che­rung garan­tier­ter…

  • Friedensprozess

    Ein anderes Kolumbien (I): “Tierra y Libertad”

    Nach dem Schei­tern des Ple­bis­zits vom 2. Okto­ber 2016 hat­ten bei­de Dele­gan­ti­on nach einer kur­zen Pau­se die Ver­hand­lun­gen in Hava­na wie­der auf­geom­men. Die Regie­rung hat­te sich zuvor mit der rech­ten Oppo­si­ti­on um Exprä­si­dent Uri­be getrof­fen und ver­sucht, deren  wich­tigs­te Kri­tik­punk­te in einen neu­en Ver­hand­lungs­vor­schlag ein­zu­ar­bei­ten. Zu einer gemein­sa­men Posi­ti­on ist es zwar nicht gekom­men (nach wie vor lehnt Uri­be das Abkom­men ab), aber die Regie­rungs­de­le­ga­ti­on ist mit eini­gen gra­vie­ren­den Ände­rungs­wün­schen nach Hava­na zurück­ge­reist. Dort wur­de dann in zähen Ver­hand­lun­gen mit der FARC-Dele­gan­ti­on ein neu­er Ver­trag aus­ge­ar­bei­tet, der am 24. Novem­ber — dies­mal in Bogo­tá — unter­zeich­net wur­de und bei dem die FARC nicht uner­heb­li­che Zuge­ständ­nis­se gemacht hat. Dies­mal ließ sich…