Kolumbien

Trauer über den Mord an Fredman Arturo Herazo Padilla

Mit Entset­zen und Trauer haben wir von der Ermor­dung von Fred­man Arturo Her­a­zo Padil­la, Führungsper­sön­lichkeit und Kul­tur­man­ag­er der Gemeinde San Basilio de Palenque, Boli­var, erfahren. Die Tat ereignete sich am 15. Jan­u­ar im Dorf Puente San Jorge in der Gemeinde La Aparta­da, im kolumbian­is­chen Depar­ta­men­to Cor­do­ba. Fred­man Her­a­zo Padil­la, His­torik­er und Jurist von Beruf, war seit mehreren Jahren Berater in eth­nisch-rechtlichen Prozessen sowie bei der Bil­dung von Gemein­schaft­sräten in Gemein­den afrikanis­ch­er Abstam­mung, sowohl in der Region Montes de Maria ein­er Region im Gren­zge­bi­et der bei­den kolumbian­is­chen Depar­ta­men­tos Boli­var und Sucre, sowie im angren­zen­den Depar­ta­men­to Cor­do­ba. All dies geschah im Rah­men der Anwend­barkeit und Durch­set­zung der gel­tenden Geset­ze für schwarze Gemein­den, wie sie in der kolumbian­is­chen Nation­alver­fas­sung vorge­se­hen sind. 

Der abscheuliche Mord an Fred­man Her­a­zo ist lei­der Teil ein­er lan­gen Kette von Gewalt­tat­en und wiederkehren­den Men­schen­rechtsver­let­zun­gen auf dem kolumbian­is­chen Staats­ge­bi­et. Nach Angaben des Insti­tu­to de Estu­dios para el Desar­rol­lo y la Paz (INDEPAZ) wur­den seit der Unterze­ich­nung des Friedens­abkom­mens im Jahr 2016 bis Ende 2020 in ver­schiede­nen Depar­ta­men­tos des Lan­des 1000 (ein­tausend) Führungsper­sön­lichkeit­en zivilge­sellschaftlich­er Grup­pen, Umweltschützer, Men­schen­rechtsvertei­di­ger und Per­so­n­en, die dabei waren, sich nach dem Friedensver­trag des Jahres 2016 in das soziale Leben zu rein­te­gri­eren, ermordet. Bere­its in diesem noch sehr kurzen Jahr (2021) wur­den fünf Mas­sak­er (d.h. an min­desten drei oder mehr Per­so­n­en) verübt sowie durch­schnit­tlich ein Mord täglich. Laut der »Comisión Inter­amer­i­cana de Dere­chos Humanos (CIDH)« han­delt es sich bei dem größten Teil der bish­er berichteten Fälle vor allem um Men­schen, die “[…] irgen­deine kom­mu­nale Führungsrolle ausüben, wie z.B. die Mit­glied­schaft in der »Jun­ta de Acción Comu­nal (JAC ihrer Gemeinde oder um Repräsen­tan­ten indi­gen­er oder afrokolumbian­is­ch­er Grup­pen.” ( Comu­ni­ca­do de Pren­sa No.174/20. Comisión Inter­amer­i­cana de Dere­chos Humanos, CIDH.)

Laut dem im Dezem­ber 2020 von INDEPAZ vorgelegten Bericht waren 86,8 % der ermorde­ten sozialen Führungsper­sön­lichkeit­en und Men­schen­rechtsvertei­di­ger Män­ner und 13,2 % Frauen. 29,1 % der Tötungs­de­lik­te ereigneten sich in städtis­chen Bere­ichen, während 70,9 % der Tötungs­de­lik­te in ländlichen Sek­toren des Lan­des stat­tfan­den. Diese erschreck­enden Zahlen zeigen die direk­ten Auswirkun­gen der bewaffneten und gewalt­samen Aktio­nen gegen die Zivil­bevölkerung und gegen die volle Ausübung ihrer poli­tis­chen, sozialen und kul­turellen Rechte, ins­beson­dere im ländlichen Kolumbi­en. Eine genauere Betra­ch­tung zeigt, dass 37,6 % dieser Morde gegen die indi­gene Bevölkerung, 10,1 % gegen die Bevölkerung afrikanis­ch­er Abstam­mung und 52,1 % gegen die Land­bevölkerung im All­ge­meinen began­gen wurden.

Dieses drama­tis­che Bild zeigt, dass der Kampf für einen gerecht­en Zugang zu Land — der ja im Wesentlichen nichts anderes ist als die Vertei­di­gung anges­tammter Ter­ri­to­rien indi­gen­er, afro-deszen­den­ter und bäuer­lich­er Gemein­schaften gegen einen aggres­siv­en Lan­draub — nach wie vor eines der wesentlichen Fak­toren der poli­tis­chen Auseinan­der­set­zung in Kolumbi­en ist. Große Land­striche wur­den in den let­zten Jahrzehn­ten gewalt­sam durch die Vertrei­bung von Bauern­fam­i­lien in agroin­dus­trielle Pro­jek­te, Viehzucht, Berg­bau oder pri­vate Brach­flächen von Gruß­grundbe­sitzern über­führt [Vgl. Gonzáles Pos­so, Cami­lo (2017): El fomen­to del Macro­fun­dio como mod­e­lo rur­al]. Unter diesen Bedin­gun­gen ist die Ein­forderung der ver­fas­sungsmäßi­gen Rechte, wie z.B. die Schaf­fung von Gemein­deräten und klein­bäuer­lichen Bio-Reser­vat­szo­nen [Reser­vas Campesinas y Bio­di­ver­si­dad], die Umset­zung des Geset­zes »1448« aus dem Jahr 2011 zur Rück­gabe ger­aubten Lan­des (»Ley 1448: Vic­ti­mas y Resti­tu­ción de Tier­ras«), sowie die Umset­zung der im Friedensver­trag von 2016 vere­in­barten Lan­dreform, zu ein­er äußerst schwieri­gen Auf­gabe gewor­den, die alle diejeni­gen, die sich dafür ein­set­zen, in unmit­tel­bare Lebens­ge­fahr bringt. 

In einem gemein­samen Aufruf von COLPAZ, Wis­senskul­turen und mehreren zivilge­sellschaftlichen Grup­pen, die sich in Deutsch­land für die Men­schen­rechte in Kolumbi­en ein­set­zen, wer­den die zuständi­gen Behör­den der nationalen Regierung Kolumbi­ens vehe­ment zur Aufk­lärung der Fak­ten aufge­fordert, sowohl im Fall der Ermor­dung von Fred­man Her­a­zo Padil­la, als auch im Fall der anderen Führungsper­sön­lichkeit­en zivilge­sellschaftlich­er Grup­pen, die zum Schweigen gebracht wur­den. Wir wieder­holen die Auf­forderung an den kolumbian­is­chen Staat, sein­er völk­er­rechtlichen und im »Acuer­do de Paz« von 2016 anerkan­nten Verpflich­tung nachzukom­men, die notwendi­gen Maß­nah­men zu ergreifen, um das Leben, die Unversehrtheit und die Sicher­heit der­jeni­gen zu garantieren, die täglich sich für die Bürg­er des Lan­des vor Ort ein­set­zen und den Schutz der kolumbian­is­chen Ver­fas­sung genießen. 

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