Frieden in den Zeiten des Coronavirus?
Wir hatten Glück mit unserer Rückreise nach Deutschland Mitte März, dass wir trotz mehrfacher Verschiebung des Fluges (aber aus anderen Gründen als der der Pandemie) zwei Plätze in der Air France Maschine nach Paris erhalten hatten. Die Corona Krise war noch nicht richtig in Kolumbien angekommen, aber alles was man aus Asien und Europa hörte, konnte einen nicht optimistisch machen. Sollte es tatsächlich zu einem Shutdown der Wirtschaft kommen? Angesichts der unzähligen Straßenverkäufer in kolumbiens Städten eigentlich undenkbar. Wovon sollten sie leben? Groß angelegte Unterstützungprogramme, so wie in Deutschland, konnte ich mir in Kolumbien nicht vorstellen, insbesondere nicht für den sogenannten »informellen Sektor, in dem ein Großteil der Bevölkerung sich ihren Lebensunterhalt erwirtschaftet. Und was sollte aus dem Friedensprozess werden? Wie kann die Arbeit der drei Kommissionen, der »Comison de la Verdad«, der »JEP« (Jurisdicción para la Paz), sowie der »UBPD« (Unidad de Búsqueda de Personas dadas por Desaparecidas) weitergehen, wenn Kolumbien so wie in Europa die Möglichkeiten sozialer Kontakte massiv einschränken sollte. Mittlerweile ist ja genau dieses Szenario eingetreten und in der Tat muss man sich Sorgen um den Friedensprozess machen. Wieder einmal, muss man sagen, denn auch schon vorher musste man den Friedensprozess in Kolumbien als ausgesprochen fragil bezeichnen. Die Morde an sozialen Aktivisten der Umwelt‑, der Menschenrechts- oder der Friedensbewegung sowie an Exkomabanttanten der FARC gehen weiter. Unter den Bedingungen der Ausgangsbeschränkungen scheinen sich die Gewalttäter noch sicherer zu sein, ungestört ihre Attentate durchführen zu können. Insbesondere in den vom Gewaltkonflikt besonders betroffenen Gebieten scheint sich mit COVID-19 die Lage zum Teil dramatisch zuzuspitzen. Denn hier handelt es sich meist um weit abgelegene Regionen, in denen das staatliche Gesundheitswesen kaum greift, in denen aufgrund der Umweltbelastungen durch illegale Minen (v.a. Gold, Smaragden) aber auch durch den »legalen« Rohstoffanbau (Kohle, Erdöl, Erze) der Gesundheitszustand der Bewohner seit Jahren einer starken Belastung unterworfen ist. Hinzu kommt noch, dass in diesen Gebieten die sozialen und kulturelle Grundrechte nicht ausreichend umgesetzt sind, so dass erhebliche Wissensdefizite bestehen, um die Zusammenhänge zwischen bestimmten Lebensweisen und der Pandemie zu erkennen und entsprechende Verhaltensmaßnahmen einzuleiten. Das alles betrifft in besonderer Weise die indigene und afrokolumbianische Bevölkerung. Ein Beispiel ist das Departament Choco mit seiner überwiegend afrokolumbianischen Bevölkerung, die seit Monaten verstärkt unter paramilitärischen Aktionen leidet.
Und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit scheint sich derart auf die Corona-Krise zu konzentrieren, dass tatsächlich die Gefahr besteht, dass der Friedensprozess dabei unter die Räder kommt. Zivilgesellschaftliche Gruppen aber auch verschiedene politische Parteien und internationale Beobachter richten deshalb Forderungen an die Regierung, den Friedensprozess trotz COVID-19 weiter voranzutreiben und Bedingungen zu schaffen, wie die Arbeit der dafür eingerichteten Institutionen auch in Zeiten des Coronvirus weitergeführt werden kann.