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Friedensnobelpreis und die Zivilgesellschaft
Man kann zu Juan Manuel Santos eine kritisch distanzierte Haltung einnehmen, aber die heute in Oslo bekannt gegebene Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn ist zweifellos eine sehr gute Nachricht. Denn dieser Preis ist auch eine Auszeichnung für all diejenigen, die trotz erbitterter Widerstände im Lande in den letzten Jahren immer wieder für den Friedensprozess eingetreten sind. Er ist also auch eine Auszeichnung für die kolumbianische Zivilgesellschaft, die durch Aktivitäten von indigenen Gruppen, afro-kolumbianischen Gemeinschaften, Menschenrechtsbewegung, LGTB-Bewegung, Umweltschützer, Gewerkschaften u.a.m. geprägt ist. Santos hat den Mut gehabt, diesen Weg als Angehöriger der traditionellen politischen Klasse zu gehen und daran sein politisches Schicksal zu knüpfen. Und er wußte sehr wohl, dass er…
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Nach dem Referendum: Was nun, Kolumbien?
Der Schock sitzt tief. Die Mehrheit der Kolumbianer haben sich gegen den zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla in Havanna ausgehandelten Friedensvertrag ausgesprochen. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von ca. fünfzigtausend Stimmen fiel die Entscheidung. Bei einer Wahlbeteiligung, die man nicht anders als enttäuschend bezeichnen kann. Zwar sind 37% für kolumbianische Verhältnisse gar nicht so schlecht, bei einer derart wichtigen Entscheidung aber zu wenig. Und bei der Wahlbeteiligung wird in einigen Medien denn auch mit Erklärungsversuchen für das Desaster angesetzt. Viele potenzielle Befürworter waren sich — so wird vermutet — der von den Meinungsforschungsinstituten prognostizierten Zustimmungsmehrheit zu sicher und sind dann aus welchen Gründen auch immer zuhause geblieben, weil sie annahmen, auf…
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Uribistas und Paramilitarismus verhindern den Friedensschluss
Die Hoffnung, die Friedensverhandlungen in Havanna mit der Unterzeichnung des Vertrages am 23. März 2016 abzuschließen haben sich leider vorerst zerschlagen. Woran genau es gescheitert ist, ist unklar, aber durchgesickert ist, dass es die Haltung zu den rechtsgerichteten paramilitärischen Verbänden war, über die man sich nicht einigen konnte. Das, was ich in einigen der vorhergehenden Artikel beschrieben hatte, nämlich dass die Paramilitärs begonnen haben, sich in Position zu bringen, um das durch den Rückzug der FARC entstehende Machtvakuum in bestimmten Regionen auszufüllen, ist selbstverständlich auch den Verhandlungsdelegationen in Havana nicht verborgen geblieben. Diese Entwicklung steht in krassem Widerspruch zu den Zielen des Friedensprozesses und bedroht die Hoffnung aller Beteiligten, v.a.…
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So wird das nix! Aufflammende paramilitärische Gewalt
könnte alles in Frage stellenWie kann ein dauerhafter Frieden in Kolumbien aussehen, wenn zwar die Regierung mit der FARC in Havanna seit Jahren verhandelt, gleichzeiitg aber den terroristischen Aktionen rechtsgerichter Paramilitärs nichts entgegensetzt wird? Diese Frage muss man sich heute, nach einer Serie äußerst besorgniserregender Vorfälle, durch die allein im November 2015 mehrere bekannte Menschenrechtsvertreter nicht nur bedroht sondern leider auch Opfer paramiliärischer Terrorakte geworden sind, stellen. Am 9. Oktober wurde JOHN JAIRO RAMÍREZ OLAYA aus seinem Haus in Buenaventura, der Hafenstadt an der kolumbianischen Pazifikküste (Departamenta Valle de Cauca) von 10 Paramilitärs entführt und anschließend ermordet. Wenige Tage später, am Nachmittag des 13. November wurde der Umwelt- und Menschenrechtsaktivist DANIEL ABRIL, Mitglied des…
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Erster Bericht des deutschen Sonderbeauftragten liegt vor
Der im April von der deutschen Bundesregierung ernannte Sonderbeauftragte für den Friedensprozess in Kolumbien, Tom Koenigs, hat seinen ersten Bericht vorgelegt (T. Koenigs: Bericht zum Friedensprozess in Kolumbien). Koenigs ist menschenrechtspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. In seinem Bericht skizziert er in groben Zügen die Entstehungsgeschichte und den Verlauf der nun über 70-jährigen Gewaltauseinandersetzung in Kolumbien, geht auf die veränderten geopolitischen Konstellationen ein und den Druck auf beide Seiten, sich einer realistischen Sichtweise zur Beendigung des Konfliktes zu beugen.“Das offene Eingeständnis, dass ein vollständiger militärischer Sieg über die Guerilla nicht gelingt und das (implizite) Eingeständnis einer Mitverantwortung für die zivilen Opfer war für Kolumbiens Präsidenten Juan…
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Santos bietet bilaterale Waffenruhe an, verstärkt aber gleichzeitig die Militäroperationen
Ob es sich lediglich um einen propagandistischen Vorstoß des Präsidenten im Kontext der Vereinbarung vom 23. September handle, oder um eine ernst zunehmende Ankündigung wird in den kolumbianischen Medien kontrovers diskutiert. Am 28. Oktober hatte die kolumbianische Regierung erstmals ihre Bereitschaft zu einer beidseitigen Waffenruhe erklärt. Präsident Santos bot der FARC einen bilateralen und international überwachten Waffenstillstand an, der am 1. Januar 2016 in Kraft treten könnte (Semana v. 28.10.2015: “Santos propone cese bilateral con las FARC desde el primero de enero”). Allerdings knüpfte der Präsident die Waffenruhe an bestimmte Bedingungen, wie beispielsweise die Konzentration aller FARC-Kämpfer an einem bestimmten Ort, was bei der FARC zu Verwirrung und Ablehnung geführt…
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Vereinbarung in Havanna: Ende der Kämpfe im März 2016
Am Mittwoch, den 23. September wurde in Havanna die Unterzeichnung einer von Beobachtern als “historisch” bezeichneten Vereinbarung zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC bekanntgegeben, in der die Beendigung aller Kämpfe für spätestens März 2016 beschlossen wurde. Mit der Unterzeichnung eines “Abkommen über die Schaffung einer Sondergerichtsbarkeit für den Frieden”, in dem die wichtigsten Regelungen für eine Strafverfolgung und Amnestie für die Beteiligten am bewaffneten Konflikt festgelegt ist, wurde höchstwahrscheinlich ein entscheidender Grundstein für einen Durchbruch der Friedensverhandlungen gelegt. Gerade diese Frage wie juristisch mit den Personen zu verfahren sei, denen Menschenrechtsverletzungen angelastet werden, war in den vergangenen Wochen und Monaten zu einem der wichtigsten und umstrittensten Verhandlungspunkte in Havanna.…
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Regierung stellt Luftangriffe ein, plant aber Einschränkung der Grundrechte
Am vergangenen Wochenende hat die kolumbianische Regierung die Einstellung der Luftangriffe auf FARC-Stellungen verfügt. Damit löst sie ein in der gemeinsamen Erklärung vom 12. Juli gegebenes Versprechen ein, die offensiven militärischen Aktionen gegen die FARC einzuschränken. Menschenrechtsvertreter begrüßen diese Entscheidung machen aber darauf aufmerksam, dass der vor zwei Wochen von einer Projektgruppe des Verteidigungsministeriums, der Sicherheitsbehörden und der Nationalpolizei vorgelegte Entwurf zur Erneuerung des Polizeigesetzes im Widerspruch zu den Zielen des Friedensprozesses steht. Der Entwurf regelt verschiedene Punkte hinsichtlich der Privatsphäre von Individuen im Kontext der neuen Medien und sozialen Netzwerke bis hin zu Regeln für den öffentlichen Nahverkehr. So soll beispielsweise die präventive Verhaftung von Personen, die durch “agressives…
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Wieder Bewegung im Friedensprozess
Es gibt Anzeichen dafür, dass die “kritische Phase”, wie der Leiter der Regierungsdelegation bei den Friedensgesprächen in Havanna, Humberto de La Calle, am 6. Juli in einem Interview den gegenwärtigen Stand der Friedensverhandlungen bezeichnet hatte, überwunden werden kann. Am 8. Juli hatten die FARC eine einseitige Waffenruhe ausgerufen und ihre Bereitschaft zur Fortsetzung des Friedensprozesses erklärt. Sie reagierten damit auf den dringenden Appell der beiden Garantiestaaten des Friedensprozesses, Norwegen und Kuba, sowie Venezuela und Chile, die den Prozess begleiten. Die vier Länder hatten am Vortrag in einer gemeinsamen Erklärung eine sofortige Deeskalation des Konfliktes gefordert. Zugleich forderten sie weitere Schritte für vertrauensbildende Maßnahmen, die als Bedingungen für Einigungen bei den…
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Bellizisten auf beiden Seiten
Als sollte durch die Realität bestätigt werden, wie berechtigt die in meinem letzten Blog-Beitrag über den “9. April und die Fahne des Regenbogens” geäußerte Sorge der kolumbianischen Bevölkerung ist, dass der seit zwei Jahren eingeleitete Friedensprozess durchaus nicht irreversibel ist und die Bellizisten auf beiden Seiten nur darauf warten, dass etwas passiert, um ihn zu torpedieren, erschüttert ein militärischer Zwischenfall nun das Land. Am Mittwochmorgen dieser Woche hat ein Kommando der FARC eine Patrouille der kolumbianischen Streikräfte im südwestlich der Hauptstadt gelegenen Departamento Cauca angegriffen und dabei 11 Soldaten getötet und siebzehn weitere verwundet, vier von ihnen schwer. Erst vor wenigen Monaten, im Dezember 2014 hatten die FARC eine einseitige…