Historischer Exkurs: Simon Bolivars “Gran Colombia” (1819 — 1830)
Am 12. Dezember 1819 wird im Kongress von Angustura die Vereinigung des Vizekönigreichs Neugranada und des Generalkapitanats Venezuela zur “Republica de Colombia” beschlossen (von Histroikern auch als “Großkolumbien” bezeichnet, um es von der ersten Republik Kolumbien (nach der Unabhängigkeit Neugranadas von Spanien im Jahre 1810 bis zur Reconquista durch die Spanier im Jahre 1816 und vom heutigen Staat Kolumbien, der im Grunde lediglich das Territorium von Neugranada umfasst, zu unterscheiden. Nach dem Zerfall von “Großkolumbien” im Jahre 1830 hieß Kolumbien zunächst “Republik Neugranada” . Ab 1861 dann “Republica de Colombia”.)
Der Kongress von Angostura 1819
Bolivar war ja nicht nur Heerführer, sondern auch Präsident der (bis dato nur teilweise befreiten) Republik Venezuela. Nun sah er die Gelegenheit seine Vision von einer Vereinigung von Neugranada und Venezuela umzusetzen. Die Spanier hatten Neugranada nahezu vollständig aufgeben müssen. Lediglich Cartagena und die Küstenregion der Karibik, die Grenzregion zu Ecuador sowie Cucuta war noch in spanischer Hand. In Bogotá wurde Santander damit beauftragt, eine zivile Verwaltung aufzubauen, als Stellvertreter des Libertadors.
Bolivar kehrte nach Angostura zurück. Dort wollte er einen Kongress vorbereiten, der über den Zusammenschluss von Venezuela, Neugranada und der — nach wie vor von den Spaniern besetzten — Provinz Quito (heute: Ecuador) zur “Republik Kolumbien” beraten und beschließen sollte. Dieser Beschluss wurde am 17. Dezember 1819 in Angostura gefasst. Diese sollte drei große Departamentos umfassen: Venezuela, Cundinamarca und Quito. Neben dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Zentralgewalt sollte jedes Departamento über einen eigenen Gouverneur verfügen, der der Titel “Vizepräsident” tragen sollte. Bolivar wurde einstimmung zum Präsidenten gewählt, Zea (ein Neugranadiner) zum Vizepräsidenten. Die Vizepräsidenten der Departamentos wurden Santander (für Cundinamarca) und Roscio für Venezuela. Roscio starb allerdings kurz nach seiner Erennung. Sein Nachfolger wurde General Anzuola, der allerdings auch kurz nach der Befreiung Caracas’ 1820 starb. Daraufhin ernannte Bolivar, den kurz zuvor aus spanischem Kerker in Cadiz entlassenen Antonio Narño zum Vizepräsidenten Venzuelas. Quito war noch icht befreit. Deshalb wurde die Wahl dieses Vizepräsidenten verschoben. Gleichzeitig wurde beschlossen im Januar 1820 einen Kongress in Cucuta stattfinden zu lassen, der dem neuen Staat Kolumbien eine demokratische und republikanische Verfassung geben sollte. Auch die Entscheidung über die zukünftige Hauptstadt des Landes sollte dort gefällt werden. In Bogotá wurden einige Tage später unter Santanders Leitung, die Beschlüsse von Angostura in einer Notablenversammlung einstimmig gebilligt (Masur S. 385).
Die Verfassung von Cucuta 1821
Der Kongress von Cucuta wählte Bolivar zum Präsidenten der “Republica de Colombia”. Am 3. Oktober 1821 legte er den Amtseid auf die neue Verfassung ab. Diese Verfassung war in einigen Punkten anders als in den Beschlüssen von Angostura. Der Präsident sollte sein Amt nur für 4 Jahre bekleiden und nur einmal wiedergewählt werden. Die Legislative bestand aus zwei Kammern: einem Ageordnetenhaus, das auf vier Jahre gewählt wird und einem Senat, der auf acht Jahre gewählt wird (also nicht, wie Bolivar es sich wünschte lebenslang). Es gab einen Vizepräsidenten und ein Kabinett bestehend aus fünf Staatssekretären und einem Mitglied des Obersten Gerichtshofes. D.h. die regionalen Vizepräsidenten wurden abgeschafft. An ihrer Stelle wurde das Amt des Intendanten geschaffen. Aber die drei in Angustura vorgeschlagen Departamentos wurden ersetzt durch mehrere kleinere Provinzen. Venezuela wurde in drei, Neugranada in vier Provinzen gegliedert. Als Hauptstadt wurde Bogotá festgelegt, was einige Venezolaner verärgerte. Und auch die Sklaverei wurde, Bolivars Versprechen zum Trotz, nicht grundsätzlich abgeschafft, sondern nur für die Söhne und Töchter der gegenwärtigen Sklaven. Bolivar hätte gerne Nariño als Vizepräsidenten gehabt. Aber der konnte ich bei den Parlamentariern nicht durchsetzen. Deshalb schlug Bolivar dann Santander vor, der auch gewählt wurde.
Die Einnahme von Quito
Bolivar überließ nun den Aufbau und die Organisation des neu entstandenen Staaswesen Santander, während er selbst sich mit zwei Divisionen und 3000 Mann nach Süden aufmachte, um die auf dem Papier bereits beschlossene Integration der Provinz Quito auch praktisch zu vollenden. Auf diesem Marsch in den Süden des Landes stieß er v.a. in Pasto auf heftigen Widerstand. Die Bevölkerung dort war traditionell — und zwar bereits seit Beginn der Unabhängigkeitskriege — königstreu und unterstützte die spanische Garnison. Die Spanier unter Oberst Don Basilio Garcia hatten sich bei Bombona vorteilhaft aufgestellt und ließen Bolivar eigentlich kaum eine Möglichkeit, erfolgreich anzugreifen. Er tat es dennoch, was allerdings lediglich zu hohen Verlusten führte (ca. 1000 Mann, ein Drittel seiner Streimacht, kamen ums Leben) und letztlich erfolglos blieb. Die Entscheidung zugiunsten von Bolivar wurde dann allerdings doch noch herbeigeführt, weil Sucre mit der zweiten Division an der Küste entlang marschierte und — während Bolivar die Spanier in
die Schlacht verwickelte — bei Pichincha nach Quito durchbrechen konnte. Als Garcia hörte, dass Quito gefallen war und Sucre mit seinen Leuten sich in seinem Rücken befand, gab er den Kampf auf und kapitulierte. Bolivar zog in Quito ein, wurde anders als in Pasto enthusiastisch von der Bevölkerung begrüßt. Quito wurde in die Republik Kolumbien als eigenständiges Departamento eingegliedert und Sucre zu seinem präsidenten ernannt.
Guayaquil und die Begegnung mit San Martin
Auch Guayaquil war — mit nicht wenig Druck von Seiten Bolivars — bereit, die kolumbianische Verfassung anzuerkennen. In Guayaquil gabe es drei Fraktionene: die eine wollte eine unabhängige Provinz Guayaquil, die zweite ein Anschluss an Peru, wo sich San Martin befabd, und dir dritte einen Anschluss an Kolumbien. San Martin hoffte auf die argentinische Division, die Bolivar in der Schlacht von Bomoboná untertützt hatte und die nun nach Guayaquil zurückkehren sollte. Mit ihrer Hilfe würde man den argentischischen Anspruch durchsetzen können. Bolivra aber hinderte die Division aus Quito abzumarschieren und rückte stattdessen selbst am 11. Juli 1822 mit einer kolumbianischen Divison in Guayquil ein. Ein Teil der Bevölkerung begrüßte ihn als Befreier, ein anderer als Occupator. Die Situation war sehr aufgeladen. Bolivar sagte eine Volksbfragung zu, in der die Zugehörigkeit entschieden werden sollte. Durch die Anwesenheit der kolumbianischen Truppen, hoffte er das Ergebnis beeinflussen zu können. Am 25. Juli landete jedoch völlig überraschend San Martin mit einem chilenischen Kriegsschiff im Hafen von Guayaquil. (Vgl. Masur S. 443 ff.)