Indigene klagen über Genozid in Kolumbien
Die Dachorganisation der indigenen Völker Kolumbiens (Organización Nacional Indígena de Colombia, ONIC ) hat in einem dramatischen Aufruf der kolumbianischen Regierung vorgeworfen, tatenlos der zunehmenden rassistischen Verfolgung der Indigenen im Lande zuzusehen. Seit der Unterschrift des Friedensvertrages von Havanna 2016 habe es 37.533 gewaltsame Zwischenfälle gegen die indigenen Völker gegeben. 158 Indigene seien in dieser Zeit ermordet worden, davon 97 während der Präsidentschaft des aktuellen Präsidenten Iván Duque.
Der Frieden — so die ONIC sei in den indigenen Territorien nicht angekommen, stattdessen geschehe vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein »systematischer Genozid«. 70 der 102 indigenen Ethnien seien in dem südamerikanischen Land akut von der physischen und kulturellen Auslöschung bedroht.
Die Indigenen litten sehr unter der extraktivistischen Entwicklungspolitik der Regierung. Diese Politik basiere auf der gewaltsamen Ausbeutung der Natur im Interesse multinationaler Konzerne und habe schwerwiegende Folgen für das Leben der Indigenen. Der — sehr häufig durch gewaltsame Vertreibung herbeigeführte — Verlust von Land sei ein großes Problem, wie in Putumayo, der Pazifikregion und im Norden in La Guajira an der Karibikküsten. Die Situation der dort lebenden Wayuu ist alarmierend. In Folge des Tagebaus zur Kohleförderung, der Umleitung von Flüssen und der Verschmutzung des Trinkwassers sind dort bereits mehr als 5.000 Kinder gestorben.
Neben direkten Bedrohungen, Morden und Angriffen gegen Indigene führe auch die Verhinderung ihrer traditionellen Lebensweise zum Aussterben der Gemeinden. “Die jahrtausendealten Nomadenvölker des Pazifik, des Orinoko und der Karibik” könnten wegen der Besetzung durch Militär und Paramilitär auf ihren Gebieten nicht fischen und jagen und auch keine Lebensmittel in den Wäldern sammeln. Die Sprechering der ONIC, Armando Wouriyu Valbuena, beklagt die Zerstörung der nomadischen Wirtschaft, den Verlust an Autonomie und den damit verbundenen kulturellen Zerfall. Der Regierung wirft sie mangelnden politischen Willen vor, sich dieses Problems anzunehmen und spricht klar aus, dass es sich hierbei um »Völkermord« handelt, der zwar kaum zu übersehen sei, vor dem auch der kolumbianische Präsident die Augen nicht verschließen kann, was aber bislang weder die kolumbianische Politik noch die internationale Gemeinschaft zu ernsthaften und wirksamen Reaktionen veranlasst hat.
Die ONIC ruft deshalb die internationale Gemeinschaft, die negativen Folgen des Extraktivismus zu erkennen, die damit verbundenen Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen. Ein Aufruf, den insbesondere wir in Deutschland zur Kenntnis nehmen sollten, denn Deutschland ist eines der Hauptabnehmer der kolumbianischen Kohle.
Konkret wird von der ONIC vorgeschlagen, eine Verifizierungs- und Unterstützungsmission einzurichten, um die Vertreibung und Gewalt gegen die indigenen Völker zu stoppen und einen Sicherheitsrat in der Pazifikregion einzurichten, dort wo die indigenen Völker besonders heftig von der Gewalt betroffen sind. Zuvor hatte bereits der »Consejo Regional Indígena del Cauca — CRIC« (»Regionaler Rat der Indigenen im Cauca«) die Vereinten Nationen, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sowie verschiedene kolumbianische Institutionen, wie die Defensoría del Pueblo, den »Consejo para los Derechos HUmanos« und den »Alto Comisionado para la Paz«, zu einem konkreten Eingreifen aufgerufen.