Menschenrechte: deprimierender Bericht der UNHCR
Unsere Ankunft in Bogotá wurde nicht nur überschattet von der sich immer weiter zuspitzenden Krise in Venezuela sondern auch durch deprimierende Zahlen über die Menschenrechtssituation in Kolumbien, die allen Erwartungen, die der 2016 eingeleitete Friedensprozess ausgelöst hatte, Hohn sprechen. Wie der Vetreter des Roten Kreuzes in Kolumbien, Christoph Harnisch, in einem Interview mit der Zeitung »El Tiempo« bekanntgab, hat sich die Konfliktsituation in einigen Regionen im Jahr 2018 nicht nur nicht verbessert, sondern sogar verschärft. Vertreibungen, Bedrohungen, Verschleppungen und Ermordungen haben Im Jahr 2018 wieder dramatisch zugenommen. So gab es beispielweise einen sprunghaften Anstieg der Vertreibungen von 13.809 im Jahr 2017 auf 27.780 im Jahr 2018. Das ist die höchste Zahl seit 2012. Auch die zivilen Opfer, die durch Landminen zu beklagen sind, haben wieder zugenommen. Von 57 im Jahr 2017 auf 221 im Jahr 2018 (Quelle: El Tiempo 28. Februar 2019).
Nachdem bereits im Januar die NGO »Frontline Defenders« ihren umfangreichen Bericht zur Lage der Menschenrechtsverteidiger 2018 vorgelegt hatte und darin Kolumbien bescheinigte, das mit Abstand gefährlichste Land für Aktivisten sozialer Bewegungen zu sein, hat nun auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, die ehemalige chilenische Präsidentin Michelle Bachellet, ihren Bericht zur Menschenrechtssituation in Kolumbien vorgelegt.
»Frontline Defenders« hatte von 126 getöteten Menschenrechtsaktivisten im Jahr 2018 berichtet, einer Zahl, die doppelt so hoch ist, wie die Anzahl der Tötungsdelikte in Mexico, dem Land mit der weltweit zweithöchsten Mordrate. Auch die UNO beklagt die hohe Zahl von Tötungsdelikten an Menschenrechtsaktivisten und kritisiert gleichzeitig die ausgesprochen niedrige Aufklärungsrate.
Auf die Vorhaltungen der UNHCR, dass von den Delikten nur 5% aufgeklärt werden konnten, antwortet die kolumbianische Staatsanwaltschaft mit einem Verweis auf die veränderten Zahlen seit 2016. Im Zeitraum von 2016 bis Ende Dezember 2018 seien von insgesamt 231 Tötungsdelikten 126 mittlweile aufgeklärt worden, was eine Quote von 54,5% bedeutet. Das sei die höchste Aufklärungsquote seit Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und zeige, so die Generalstaatsanwaltschaft, einen deutlichen Fortschritt in der Aufklärung von Gewalttaten.
Laut UNHCR-Bericht lassen sich 40% der Morde an Menschenrechtsaktivisten paramilitärischen Gruppen zuordnen. Jeweils 8% gingen auf das Konto der ELN und der FARC-Disidencia, 4% auf das der EPL, 5% werden den staatlichen Sicherheitskräfte angelastet. 18% wurden von Tätern verübt, die keiner der genannten Gruppen zuzurechnen sind. Und 17% konnten überhaupt nicht zugeordnet werden (Quelle: El Tiempo, 15. März 2019).
Des Weiteren wird große Besorgnis über die Pressefreiheit geäußert. Von Januar bis November hat es dem Bericht zu Folge 477 Angriffe auf die Pressefreiheit gegeben, 200 Bedrohungen gegenüber Journalisten und 3 Morde (Quelle: El Tiempo 15. März 2019).
El Tiempo zitiert den Hinweis, dass die mangelhafte Präsenz des Justizsystems vor allem in den ländlichen Zonen eine der größten Probleme ist. Hierdurch wird die Straflosigkeit von Gewalttaten enorm begünstigt und führt zu einer kontinuierlichen Reproduktion des Kreislaufs der Gewalt.