Landschaften und Orte,  Persönliche Beobachtungen

Bogotá

Dies ist  mein ers­ter Bei­trag zu die­sem the­ma­tisch auf KOLUMBIEN kon­zen­trier­ten Blog. (Die vor­an­ge­gan­ge­nen his­to­ri­schen Exkur­se wur­den spä­ter ein­ge­fügt, aber wegen der bes­se­ren Über­sicht an das Ende der Blog-Bei­trä­ge gestellt.)  Nach­dem ich in den letz­ten Jah­ren mei­ne Ein­drü­cke von die­sem Land per Email (an einen spe­zi­ell ein­ge­grenz­ten Per­so­nen­kreis gerich­tet) oder über Dia­spo­ra (zwar an einen grö­ße­ren und nicht immer ganz genau bestimm­ten Per­so­nen­kreis gerich­tet, dafür aber mit dem Nach­teil einer hohen Flui­di­tät ver­se­hen) geschrie­ben und ver­sen­det hat­te, habe ich den seit län­ge­rer Zeit geheg­ten Plan, dies durch einen the­ma­tisch ori­en­tier­ten Blog zu erset­zen, end­lich realisiert.

Ich rei­se seit vie­len Jahr­zehn­ten nach Kolum­bi­en, aber dass ich mich neben mei­nem Bon­ner Wohn­sitz als in Bogo­tá woh­nend bezeich­ne, ist eine Ent­wick­lung, die erst vor ca. andert­halb Jah­ren ein­ge­setzt hat, als mei­ne Auf­ent­hal­te in Kolum­bi­en sich aus fami­liä­ren Grün­den suk­zes­si­ve immer mehr aus­ge­wei­tet haben. Bei mei­ner jet­zi­gen Ankunft in Bogo­tá zeig­te sich die Stadt von ihrer bes­ten Sei­te. Nichts zu spü­ren von der unge­müt­li­chen Näs­se und Käl­te und den ihre „Man­tel­kra­gen hoch­schla­gen­den, eilig davon­ei­len­den Pas­san­ten”, die Gar­cia Mar­quez so ein­zig­ar­tig in Abgren­zung zu sei­ner kari­bi­schen Hei­mat beschrie­ben hat­te. Nein, als ich ankam, herrsch­te außer­or­dent­lich tol­les son­ni­ges und sehr war­mes Wet­ter. Für die Bogo­ta­ner eine ange­neh­me und sicht­bar genos­se­ne Freu­de. Für den dem win­ter­li­chen Euro­pa ent­flie­hen­den Rei­sen­den, eine dop­pel­te Wohltat.

Ich bin immer wie­der aufs Neue davon ange­tan, wie grün Bogo­tá, die­se fast 10 Mil­lio­nen Ein­woh­ner umfas­sen­de Stadt ist. Aber natür­lich sind es vor allem die nörd­lich vom Stadt­zen­trum gele­ge­nen rei­che­ren Stadt­tei­le, die die­se posi­ti­ve Eigen­schaft auf­wei­sen. Vie­le vier­spu­ri­ge Stra­ßen haben dort einen mit nahe­zu alle Kli­ma­zo­nen Kolum­bi­ens reprä­sen­tie­ren­den beflanz­ten Mit­tel­strei­fen. Für einen Euro­pä­er ist dies schon allein des­halb beein­dru­ckend, weil in die­ser Höhe von 2.700 Metern in unse­ren Brei­ten ja nur ganz weni­ge Pflan­zen wachsen.

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Getrübt wur­de mein Wohl­be­fin­den aller­dings bereits am nächs­ten Mor­gen aus völ­lig ande­ren, und nun gar nicht mit dem Kli­ma in Ver­bin­dung zu brin­gen­den Grün­den: Als ich aus dem Haus trat und mit Erschre­cken die bau­li­chen Ver­än­de­run­gen an der Ummaue­rung unse­res „Con­do­mi­nio“ sah. Eine Mau­er bzw. an eini­gen Stel­len ein hoher und durch­aus sta­bi­ler Zaun waren da zwar schon immer vor­han­den, aber wäh­rend mei­ner Abwe­sen­heit hat­te man auf die Mau­er noch einen über drei oder vier Stu­fen rei­chen­den hohen elek­trisch auf­ge­la­de­nen Sta­chel­draht­zaun drauf­ge­setzt, der leicht nach innen ver­setzt ist und einen unwill­kür­lich an längst ver­gan­ge­ne schreck­li­che Zei­ten erin­nert. Ich fühl­te mich plötz­lich in einer Art Fes­tung, die ich bis­her in die­ser kras­sen Form nur in Johan­nes­burg gese­hen hatte.

Auf Nach­fra­gen wur­de uns erläu­tert, dass die­se Ver­än­de­rung auf­grund eines Ein­bruchs erfolgt sei, bei dem die Ein­bre­cher über die Mau­er geklet­tert waren. Ja, die Sicher­heits­la­ge wird wie­der ein­mal als kata­stro­phal beschrie­ben und es wer­den Bei­spie­le genannt, wie die von einer jun­gen Frau, der mit­ten in einem voll­be­setz­ten Bus von zwei Mit­fah­rern ein Mes­ser an den Hals gesetzt wur­de, damit sie ihr Smart­phone rausrückt.

Ähn­li­che Erzäh­lun­gen beglei­ten uns seit meh­re­ren Jahr­zehn­ten. Sie lie­ßen sich belie­big erwei­tern und sie ver­wei­sen auf die nach wie vor — trotz eines in den letz­ten Jah­ren all­ge­mein gewach­se­nen gesell­schaft­li­chen Reich­tums — unge­lös­ten und sich gegen­wär­tig womög­lich wie­der ver­schär­fen­den sozia­len Pro­ble­me in die­sem wun­der­schö­nen und lie­bens­wer­ten Land. Aller­dings haben sich die in den 90er Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts so gefürch­te­ten Ent­füh­run­gen gegen Löse­geld­erpres­sun­gen nach­ge­las­sen. Ob sich die “nor­ma­le” Kri­mi­na­li­tät in letz­ter Zeit wie­der ver­stärkt hat, wie von vie­len Kolum­bia­nern behaup­tet wird, lässt sich schwer prü­fen, da längst nicht alle Ereig­nis­se den poli­zei­li­chen Behör­den gemel­det wer­den und inso­fern die Sta­tis­ti­ken nicht sehr zuver­läs­sig sind. Aber über die­ses Pro­blem und sei­ne im kras­sen Klas­sen­ge­gen­satz und der gewalt­vol­len 70jährigen Ver­gan­gen­heit Kolum­bi­ens zu suchen­den Ursa­chen wird noch zu reden sein.

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