Gesellschaft

Historischer Exkurs: Die Befreiung Neugranadas

Den Unab­hän­gig­keits­kampf und die dar­auf­fol­gen­de Epo­che der ver­schie­de­nen kolum­bia­ni­schen Repu­bli­ken, in der mal eine föde­ra­lis­ti­sche und mal eine zen­tra­lis­ti­sche Staats­form domi­nier­te lässt sich spie­gel­strich­mä­ßig wie folgt darstellen:

  • 1810 — Repu­bli­ca de Cun­di­na­mar­ca (zen­tra­lis­tisch unter Anto­nio Nari­ño, Sitz Bogo­tá) exis­tiert neben und der Repu­blik der Pro­vin­ci­as Uni­das (föde­ra­tiv unter Camil­lo Tor­res, Sitz Tun­ja). Bei­de bestan­den aber nur bis Recon­quis­ta der Spa­ni­er im Jah­re 1816)
  • 1819 — Repu­bli­ca de Colom­bia (“Gran Colom­bia”) nach dem Beschluss von Angos­tu­ra 1819 mit einer auf Boli­var zuge­schnit­te­nen zen­tra­lis­ti­schen Staatsform
  • 1830 — Repu­bli­ca de la Nue­va Gra­na­da (1853 libe­ra­le Ver­fas­sungs­re­form nach dem Brü­ger­krieg 1851. Erneu­ter Bür­ger­krieg 1854 )
  • 1858 — Con­fe­dera­ción Gra­na­di­na (föde­ra­ti­ve Struk­tur mit 8 Ein­zel­staa­ten und einem Zen­tral­par­la­men, 1860 — 1863 Bürgerkrieg)
  • 1863 — Estados Uni­dos de Colom­bia (Radi­kal-libe­ra­le und lai­zis­ti­sche Ver­afs­sung v. 8. Mai 1863 (Rio Negro, Mos­quera), neun weit­ge­hend unab­hän­gi­ge Ein­zel­staa­ten, aber erneu­te Bür­ger­krie­ge 1876–1877 und 1885 als die Libe­ra­len sich gegen Prä­si­dent Rafa­el Nuñez erhoben.)
  • 1886 — Repu­bli­ca de Colom­bia (Nuñez sieg­te, grün­de­te die Part­ido Nacio­nal und führ­te eine zen­tra­lis­ti­sche und kon­ser­va­tiv gepräg­te Ver­fas­sung ein)

Deklaration der Unabhängigkeit

Nach der Gefan­gen­nah­me und Abset­zung des spa­ni­schen Königs Fer­nan­do VII durch Napo­le­on setz­te die­ser “sei­nen Bru­der Joseph zum neu­en König von Spa­ni­en ein. Die Macht der von König Josef geführ­ten Regie­rung und Ver­wal­tung reich­te aber nicht über ganz Spa­ni­en. Ande­rer­seits wur­den die Anord­nun­gen des Rey Intru­so (uner­wünsch­ten Königs) von Tei­len der spa­ni­schen Ver­wal­tung igno­riert. Dar­auf­hin bil­de­ten sich in ganz Spa­ni­en, beson­ders aber in den nicht von fran­zö­si­schen Trup­pen beherrsch­ten Gebie­ten Jun­tas Pro­vin­cia­les, die eine ört­li­che Ver­wal­tung an den von König Josef getrof­fe­nen Anord­nun­gen vor­bei orga­ni­sier­ten. Die­se Jun­tas bil­de­ten sich teil­wei­se aus vor­han­de­nen Insti­tu­tio­nen wie z. B. Stadt­rä­ten und Regio­nal­ver­samm­lun­gen. Um auch über­re­gio­na­le Ange­le­gen­hei­ten, beson­ders die Auf­stel­lung und Aus­rüs­tung einer Befrei­ungs­ar­mee oder den Kon­takt mit dem Aus­land, regeln zu kön­nen, war es nötig, eine Dach­or­ga­ni­sa­ti­on die­ser Jun­tas zu bil­den. Ver­tre­ter der Jun­tas Pro­vicia­les bil­de­ten im Sep­tem­ber 1808 eine Jun­ta Supre­ma Cen­tral y Guber­na­ti­va del Rei­no.” (Wiki­pe­dia: Jun­ta Supre­ma Central).

Die Grün­dung der Jun­ta Supre­ma Cen­tral y Guber­na­ti­va del Rei­no wur­de nicht als ein revo­lu­tio­nä­rer Akt gese­hen, bei dem die Regie­rung des Königs oder gar der König Fer­di­nand VII. sel­ber durch Ver­tre­ter der Bevöl­ke­rung ersetzt wur­den. Die­se Jun­ta gab alle ihre öffent­li­chen Erklä­run­gen im Namen des Königs Fer­di­nand VII. ab. Die Ein­set­zung der Jun­ta fand am 25. Sep­tem­ber 1808 in einem fei­er­li­chen Akt in der Schloss­kir­che in Aran­juez statt, bei dem die Mit­glie­der auf König Fer­di­nand ver­ei­digt wur­den. Die Jun­ta ver­leg­te im Novem­ber 1808 ihren Sitz erst in die Extre­ma­du­ra, dann nach Sevil­la und end­lich auf die Isla de León bei Cádiz.” (Wiki­pe­dia: Jun­ta Supre­ma Central).

Um sicher­zu­stel­len, dass die spa­ni­schen Kolo­nien der spa­ni­schen Kro­ne treu blie­ben und nicht ins napo­leo­ni­sche Lager über­lie­fen rief die Jun­ta Supre­ma in Sevil­la dazu auf, auch in den Kolo­nien der­ar­ti­ge Jun­tas zu grün­den. Es wur­den königs­treue Abge­sand­te in die Kolo­nien geschickt, die dort den Vor­sitz der Jun­tas über­neh­men soll­ten. Nach Bogo­tá wur­de Juan José Llo­ren­te geschickt, um die Grün­dung einer Jun­ta unter dem Vor­sitz des Vize­kö­nigs zu orga­ni­sie­ren. Dies wird aber von Bogo­ta­nern nicht aner­kannt. Statt­des­sen wird José Miguel Pey zum Vor­sit­zen­den gewählt, der Vize­kö­nig für abge­setzt erklärt, zusam­men mit sei­nen füh­ren­den gen­rä­len (unter ihnen der wegen sei­ner Grau­sam­keit gegen Auf­stän­di­sche bekann­te Juan de Sama­no, der spä­ter noch eine wich­ti­ge Rol­le im Unab­hän­gig­keis­krieg spie­len soll­te, nach Spa­ni­en zurück­ge­schickt. Das war am 20. Juli 1810. Die­ses Datum wird heu­te in Kolum­bi­en als Tag der Unab­hän­gi­keit gefei­ert, obwohl es bis zur Unab­hän­gi­gek­ti noch ein wei­ter Weg und zehn Jah­re Krieg war.

Die Kreo­len (in Kolum­bi­en gebo­re­ne Nach­fah­ren der Spa­ni­er. Im Gegen­satz dazu: Mes­ti­zen sind die aus gemisch­ten Ehen her­vor­ge­gan­ge­nen Ein­woh­ner. Im Grun­de sind aber — heut­zu­ta­ge — nahe­zu alle Latein­ame­ri­ka­ner Mes­ti­zen, wie gene­ti­schen For­schun­gen in letz­ter Zeit gezeigt haben) nutz­ten die Auf­for­de­run­gen zur Grün­dung von loka­len Jun­tas nicht wie von den Spa­ni­ern gewünscht, um die Treue zum Königs­haus zu mani­fes­tie­ren, son­dern die in den letz­ten Jah­ren immer wie­der dis­ku­tier­te Fra­ge nach einer Unab­hän­gi­keit, durch­zu­set­zen. Es wur­de eine Rei­he von Jun­tas gegrün­det, die aller­dings kei­nes­weg eine ein­heit­li­che Posi­ti­on zu die­ser Fra­ge bezogen.

Die Rebel­li­on begann im Grun­de aber schon im Jahr 1808, als der Auf­ruf zur Bil­dung von Jun­tas de Gobier­no aus Sevil­la erfolg­te. Zunächst war es nur zag­haf­ter Zwei­fel und vor­sich­ti­ger Wider­stand. Das Jahr 1810 stand aber ganz im Zei­chen einer offe­nen Wei­ge­rung der Kreo­len den Anord­nun­gen der Spa­ni­er Fol­ge zu leis­ten. Es ging jetzt Schlag auf Schlag: Am 3. Juli bil­de­te sich eine Jun­ta in Cali, einen Tag spä­ter in Pam­plo­na, am 10. Juli in Socor­ro, am 20. Juli in San­ta­fé (Bogo­tá), am 25. in Tun­ja und am 26. in Mari­qui­ta. Am 4. August folg­ten Nei­va, am 6. Mom­pos, am 10. San­ta Mar­ta, am 11. Popayan, am 13. Car­ta­ge­na und am 31. August Quib­do. Am 1. Sep­tem­ber folg­te Medel­lin, am 7. Iba­gue (Quel­le: Ger­mán Rodri­go Mejía Pav­o­ny: La Patria Boba? Sema­na v. 18.7.2009).

Nun gabe es aber enor­me Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten zwi­schen den ver­schie­de­nen Jun­tas in Bezug auf die anzu­stre­ben­de Regie­rungs­form. Eini­ge woll­ten sich an die Anwei­sun­gen aus Sevil­la hal­ten und streb­ten eine kon­sti­tu­tio­nel­le Mon­ar­chie an, die ja auch in Spa­ni­en ange­strebt wur­de, nach der Nie­der­la­ge Napo­le­ons aber wie­der rück­gän­gig gemacht wurde.

San­ta­fé (Bogo­tá) spiel­te wäh­rend der Kolo­ni­la­zeit wegen sei­ner Rol­le als Sitz des Vize­kö­nigs zwar eine domi­nie­ren­de Rol­le in Neu­gra­na­da, aber es war kei­nes­wegs das öko­no­mi­sche, poli­ti­sche und geis­ti­ge Zen­trum, so wie es heu­te der Fall ist. Ande­re Städ­te, v.a. Car­ta­ge­na stan­den der Bedeu­tung San­ta­fés nicht nach. Inso­fern war es kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich, dass die ver­schie­de­nen Jun­tas de Gobier­no sich der Jun­ta in Bogo­tá unter­ord­nen wür­den. Tra­di­tio­nell bean­spruch­te Bogo­tá aber die Füh­rungs­rol­le, die eini­ge ande­re Pro­vin­zen in Fra­ge stell­ten und bei­spiels­wei­se der wich­tigs­te Kari­bik­ha­fen der Lan­des, Car­ta­ge­na de Indi­as, wäre selbst gern füh­rend tätig gewe­sen. Die sich über mehr als ein Jahr hin­zie­hen­den Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten führ­ten Anfang 1812 zu einem Umzug des Kon­gres­ses des Bun­des der Pro­vin­zen Neu-Gra­na­das von Bogo­tá (über Iba­gué) nach Tunja.

Die erste Republik: “Cundinamarca” und die “Provincias Unidas de Nueva Granada”

(Quel­len: G. Masur 1949; Wiki­pe­dia “Ers­te Repu­blik Kolum­bi­en”, Sema­na v. 18.7.2009)

Nach der Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung vom 20. Juli 1810 bil­de­te sich auf dem Ter­ro­to­ri­um von Neu­gra­na­da ein Staat, der im Grun­de aus zwei Staa­ten bestand: Zum einen aus einem zen­tra­lis­tisch auf­ge­bau­ten Staat auf dem Gebiet von Cun­di­na­mar­ca, wo Anto­nio Nari­ño zum Prä­si­den­ten ernannt wur­de, zum ande­ren eine Ver­ei­ni­gung unab­hän­gi­ger Staa­ten, der frü­he­ren Ver­wal­tungs­ein­hei­ten, die Camil­lo Tor­res zu ihrem Spre­cher mach­ten. (G. Masur, S. 168 f.) Bei­de Sei­ten bekämpf­ten sich nicht nur ideo­lo­gisch, son­dern auch militärisch.

Nach der Aus­ru­fung der Repu­blik wur­den Ände­run­gen in der Besteue­rung der Hazi­en­das durch­ge­setzt, die das wirt­schaft­li­che Rück­grat der Kolo­ni­al­ge­bie­te waren, und die Indi­gi­nas von Tri­but­zah­lun­gen befreit und recht­lich gleich­ge­stellt. Die Skla­ven­be­frei­ung wur­de inten­siv dis­ku­tiert, aber nur in Antio­quia umge­setzt, weil es Pro­vin­zen gab, die mehr­heit­lich aus Indi­ge­nen und Skla­ven bestan­den. Der Han­del, der bis dato nur mit dem kolo­nia­len Mut­ter­land erlaubt war, wur­de frei­ge­ge­ben und die Ver­wal­tung neu geordnet.

Mili­tä­risch war das Land nicht unter Kon­trol­le einer der bei­den Par­tei­en gebracht wor­den. An der Nord­küs­te war nur Car­ta­ge­na im Wes­ten in den Hän­den der Sepa­ra­tis­ten, die sich stän­dig Kämp­fe mit den Roya­lis­ten aus San­ta Mar­ta und Rio­hacha um die Vor­herr­schaft am unte­ren Río Mag­da­le­na lie­fer­ten. Im Nord­os­ten war der Grenz­be­reich zu Vene­zue­la in der Anden­re­gi­on immer dann schwer in Bedräng­nis, wenn die Sepa­ra­tis­ten in Vene­zue­la geschla­gen waren und die Spa­ni­er Feld­zü­ge nach Neu-Gra­na­da orga­ni­sier­ten. Das größ­te Pro­blem der Auf­stän­di­schen war jedoch über Jah­re hin­weg der Süden des Lan­des, vor allen das Kir­chen­zen­trum Pas­to in der dama­li­gen Pro­vinz Popayán. Auch in den ande­ren Lan­des­tei­len gab es gele­gent­lich Kämp­fe zwi­schen Königs­treu­en und Sepa­ra­tis­ten, deren Bedeu­tung meist jedoch lokal beschränkt blieb. Wo dies nicht der Fall war, griff der Bun­des­kon­gress, soweit er dazu in Lage war, hel­fend ein.

Der Streit zwi­schen den bei­den Prot­ago­nis­ten, dem Prä­si­den­ten der Cun­di­na­mar­ca (um die Haupt­stadt Bogo­tá), Anto­nio Nari­ño, und dem Prä­si­den­ten des Bun­des­kon­gres­ses, Cami­lo Tor­res y Ten­orio, ver­schärf­te sich bis zum Bür­ger­krieg inner­halb der Patrio­ten um den Jah­res­wech­sel 1812/1813. Es sieg­te schließ­lich der Zen­tra­lis­mus über den Föde­ra­lis­mus. Obwohl sich wei­ter­hin ein­zel­ne Gemein­den und Pro­vin­zen der zen­tra­lis­ti­schen Haupt­stadt anschlie­ßen woll­ten, schaff­te der mili­tä­ri­sche Sie­ger Nari­ño es nicht, die not­wen­di­ge Lan­des­ein­heit her­zu­stel­len. Im Gegen­teil: der Bun­des­kon­gress der Föde­ra­lis­ten bau­te im Gegen­teil sei­ne Macht­po­si­ti­on aus, auch indem er sich der Unter­stüt­zung von Simón Bolí­var ver­si­cher­te, der gera­de für sei­nen erfolg­rei­chen Mag­da­le­na-Feld­zug (im Auf­trag Car­ta­genas) zum Bri­ga­de­ge­ne­ral der Neugre­na­di­ner Uni­on ernannt wor­den war und sich anschick­te, Vene­zue­la für sei­ne Zwei­te Repu­blik zu erobern. Die fort­ge­setz­ten Strei­tig­kei­ten zwi­schen den Föde­ra­lis­ten und den Zen­tra­lis­ten sorg­ten für unnö­ti­ge Ver­sor­gungs­schwie­rig­kei­ten im Kampf gegen die Spanier.

Rei­ter­denk­mal von Simon Boli­var in Medellin

Inter­es­sant ist, dass Nari­ño zehn Jah­re spä­ter (nach den Beschlüs­sen über die Ver­fas­sung von Cucu­tá) genau die gegen­sätz­li­che Posi­ti­on ver­trat, näm­lich für den Föde­ra­lis­mus ein­trat (A. Nari­ño: Los Toros de Fucha). Sein Gegen­spie­ler war nun Fran­cis­co Pau­la San­tan­der (F.P. San­tan­der: El Patrio­ta), der für einen star­ken Zen­tral­staat ein­trat, den er jedoch zehn Jah­re zuvor, als er einer der füh­ren­den Offi­zie­re der Ejérci­tos de las Pro­vin­ci­as Uni­das war, noch abg­lehnt hat­te. Über die Grün­de für die­se Gesin­nungs­wech­sel muss noch gere­det werden.

Die spanische “Reconquista” 1813 bis 1819

In Neu­gra­na­da waren die Sepa­ra­tis­ten zunächst noch in den Streit zwi­schen Föde­ra­lis­mus und Zen­tra­lis­mus invol­viert, bevor sie sich dem eigent­li­chen Geg­ner zuwen­den konn­ten. Ein ers­ter Feld­zug der Spa­ni­er hat­te bereits zu Nie­der­la­gen der Patrio­ten Neu-Gra­na­das geführt. Durch sei­ne Offen­si­ve, die von Cúcu­ta aus begann, hielt sie Bolí­var von wei­te­ren Ein­fäl­len in die Grenz­pro­vinz Pam­plo­na ab, aber noch im sel­ben Jahr ent­stand eine königs­treue Gue­ril­la, die Fran­cis­co de Pau­la San­tan­der, der die Siche­rung der Grenz­re­gi­on über­nom­men hat­te, der­art in Bedräng­nis brach­te, dass die Pro­vinz dem ent­schei­den­den Feld­zug von Sebas­ti­an de la Calzada nach dem Unter­gang der Zwei­ten Repu­blik in Vene­zue­la zu wenig ent­ge­gen­zu­set­zen hat­te. Mit Mühe und eini­gen her­ben Nie­der­la­gen gelang es, die Spa­ni­er auf­zu­hal­ten, aber die in ande­ren Lan­des­tei­len drin­gend benö­tig­ten Trup­pen waren hier gebunden.

Zum Jah­res­en­de flamm­ten die Kämp­fe mit den Spa­ni­ern vor allen im Süden der Pro­vinz auf. Pas­to war uner­schüt­ter­lich in sei­ner Spa­ni­en­treue und eine Rei­he von Expe­di­tio­nen wur­de gestar­tet, um die Stadt der befrei­ten Pro­vinz anzu­glie­dern. Einer die­sen frü­hen Feld­zü­ge brach­te den kurz­zei­ti­gen Besitz der Stadt, aber der Prä­si­dent von Popayán selbst gab den Königs­treu­en selbst die Mög­lich­keit wie­der die alte Herr­schaft zu über­neh­men. Trotz eines erfolg­rei­chen Befrei­ungs­feld­zu­ges (Schlacht von Pas­to) schei­ter­te auch im Mai 1814 der aus Bogo­tá mit einem Heer gekom­me­ne Prä­si­dent der Cun­di­na­mar­ca, Anto­nio Nari­ño. Zwar sieg­ten die neu­gra­na­di­ni­schen Trup­pen über die von Juan Samo­go ange­führ­ten spa­ni­schen Trup­pen aber Nari­ño geriet dabei in die Hän­de der Spa­ni­er, die ihn bis 1820 auf der ibe­ri­schen Halb­in­sel in Fes­tungs­haft hielten.

Mit dem Aus­fall des füh­ren­den Zen­tra­lis­ten Nari­ño gewan­nen inner­halb der Repu­blik Neu­gra­na­da der Bund der Pro­vin­zen an Gewicht, aber erst Bolí­var, der nach dem Ver­lust sei­ner zwei­ten vene­zo­la­ni­schen Repu­blik erneut nach Neu-Gra­na­da geflo­hen war, befrie­de­te die Anhän­ger Nari­ños in Bogo­tá mili­tä­risch um den Jah­res­wech­sel 1814/1815. Nach der mili­tä­ri­schen Nie­der­la­ge in Vene­zue­la und dem Unter­gangd er zwei­ten vene­zo­la­ni­schen Repu­blik war Simon Boli­va nach Car­ta­ge­na geflo­hen. Dort woll­te er sich ähn­lich wie bereits 1812 in den Dienst der Ver­ei­nig­te Pro­vin­zen stel­len. Er reis­te 1814 nach Tun­ja, wo er dem Kon­gress die Umstän­de des Zusam­men­bruchs der zwei­ten vene­zo­la­ni­schen Repu­blik dar­leg­te. Er mach­te auf die Gefahr auf­merk­sam, die von den spa­ni­schen Trup­pen aus­ging und for­der­te mehr Ein­heit der neu­gra­na­di­ni­schen Gesell­schaft. Er wur­de dar­auf­hin beauf­tragt, mit einem Expe­di­ti­ons­heer die Haupt­stadt Bogo­tá (und das sich als eige­nen Staat ver­ste­hen­de) Cun­di­na­mar­ca für die ver­ei­nig­ten Pro­vin­zen zu unter­wer­fen. Das gelang auch. Am 12. Dezem­ber 1814 zog er in Bogo­tá ein. Neu­gra­na­da war somit in einer Hin­sicht ver­eint, es war nun eine föde­ra­ti­ve Repu­blik und der seit 1810 schwe­len­de Bür­ger­krieg zwi­schen Föde­ra­lis­ten und Zen­tra­lis­ten war beendet.

Aber unge­fähr zur glei­chen Zeit (Janu­ar 1815) setz­te der nach Napo­le­ons Rück­zug aus Spa­ni­en wie­der­ein­ge­setz­te König Fer­nan­do II eine gro­ße spa­ni­sche Expe­di­ti­ons­flot­te unter Pablo Moril­lo in Marsch, um sich sei­ner Rech­te in den Kolo­nien zu ver­si­chern. Mit 18 Kriegs- und 40 Trans­port­schif­fen und mehr als 12.000 Mann (G. Masur S. 249) lan­de­te Moril­lo in Vene­zue­la und besetz­te zuerst Vene­zue­la und anschlie­ßend Neu­gra­na­da. Cara­cas wur­de von Moril­los Trup­pen bereits am 11. Mai 1814 ein­ge­nom­men. Die zwei­te vene­zo­la­ni­sche Repu­blik war unter­ge­gan­gen. Damit konn­te Moril­lo sich nun gegen Neu­gra­na­da wenden.

Im August 1815 erreich­te Moril­lo mit sei­nem Heer und sei­ner Flot­te Car­ta­ge­na, unter­stützt vom Bezwin­ger Bolí­vars in Vene­zue­la, Fran­cis­co Tomás Mora­les. Bela­gert von Land und See hielt sich die Stadt über drei Mona­te. Als Moril­lo nach der größ­ten­teils geschei­ter­ten Mas­sen­flucht der Sepa­ra­tis­ten über das Meer in die Stadt ein­zog, ohne dass irgend­je­mand kapi­tu­liert hät­te, lagen Hun­der­te ver­hun­gert in den Stra­ßen. Der Krieg hat­te zwei Drit­tel der Bevöl­ke­rung des vor dem Krieg 16.000 Ein­woh­ner beher­ber­gen­den Hafens das Leben gekos­tet. Auch ein Drit­tel von Moril­los zehn­tau­send Bela­ge­rern war tot, die meis­ten aller­dings an Krank­hei­ten gestorben.

Die­ser teu­re Sieg war der Auf­takt zur Rück­erobe­rung des gan­zen Lan­des. Die aus Vene­zue­la ein­ge­drun­ge­nen Roya­lis­ten auf der nörd­li­chen Ost­kor­dil­le­re besieg­ten die Sepa­ra­tis­ten selb­stän­dig und ebne­ten die­sen Teil des Weges für Moril­los Rück­erobe­rung. Die letz­te Regie­rung floh ange­sichts der vor­rü­cken­den Spa­ni­er nach Süden. Dort war aber breits ein von Qui­to aus ein spa­ni­sches Heer unter Juan Samo­go in Marsch gesetzt wor­den, dass zah­len­mä­ßig und aus­rüs­tungs­mä­ßig den Neu­gra­na­di­ni­ern über­le­gen war. Den­noch wag­ten die Neo­gra­na­di­ner den Angriff auf das fast drei­mal so star­ke Heer der Spa­ni­er aus Ecua­dor und wur­de dabei voll­kom­men auf­ge­rie­ben. Ledig­lich einem klei­nen Teil der Repu­bli­ka­ner gelang die Flucht.

Doch noch vor Moril­los Lan­dung in Venez­eu­la war auch im Nor­den das Ter­ri­to­ri­um von Neu­gra­na­da durch die Spa­ni­er bedroht wor­den. Nach dem Sieg gegen Boli­var mar­schier­te der spa­ni­sche Gene­ral Fran­cis­co Mora­les an der Karib­küs­te über Mara­cai­bo, Rio­hacha, San­ta Mar­ta Rich­tung Car­ta­ge­na. Boli­var war den Spa­ni­ern von Bogo­tá aus gegen Nor­den ent­ge­gen­ge­zo­gen (24. Janu­ar 1815) und hat­te anfangs auch eini­ge Erfol­ge. So wur­de Mom­pox von den Spa­ni­ern zurück­ge­won­nen. Aber ein ent­schlos­se­nes und rasches Nach­set­zen auf die sich zurück­zie­hen­den spa­ni­schen Trup­pen schei­ter­te an inter­nen Strei­tigk­lei­ten zwi­schen Boli­var und dem Gene­ral Cas­til­lo, der in Car­ta­ge­na das Kom­man­do führ­te und Boli­var jede Auto­ri­tät für eine gemein­sa­me Stra­te­gie gegen die Spa­ni­er absprach. Boli­var mach­te nun den Feh­ler, sei­ne Posi­ti­on mit Gewalt durch­set­zen zu wol­len und bela­ger­te Car­ta­ge­na. Als dies erfolg­los blieb, und statt­des­sen die spa­ni­schen Trup­pen, die in Vene­zue­la gelan­det waren, erst Bar­ran­quil­la erober­ten und auf Car­ta­ge­na zumar­schier­ten, sah er die Sinn­lo­sig­keit die­ser Bela­ge­rung, gab er den Ober­be­fehl ab (7. Mai 1815) und segel­te frus­triert auf einem eng­li­schen Kriegs­schiff (von Car­ta­ge­na aus???) nach Jamai­ka. Hier ver­fass­te er sei­nen berühm­ten Brief aus Jamai­ca, in dem er sei­ne Visi­on über ein künf­ti­ges Süd­ame­ri­ka dar­leg­te. Im Dezem­ber erhielt er aus dem von Moril­los Trup­pen bela­ger­ten Car­ta­ge­na einen Hil­fe­ruf und das Ange­bot den Ober­be­fehl über die Ver­tei­di­gung zu über­neh­men. Er zöger­te nicht, schiff­te sich am 18. Dezem­ber ein, um dann aber die Nach­rift zu erhal­ten dass die Stadt bereits am 6. Dezem­ber 1815 gefal­len war. Es war also zu spät. Boli­var ließ den Kurs wech­seln und segel­te nach Hai­ti.

Ein hal­bes Jahr spä­ter nach der Ein­nah­me Car­ta­genas zogen die Spa­ni­er auch sieg­reich in Bogo­tá ein (am 6. Mai 1816). Damit war nun auch die ers­te kolum­bia­ni­sche Repu­blik, die Repu­blik der “Estados Uni­dos de Nuve­gra­na­da, unter­ge­gan­gen Die kolum­bia­ni­schen Trup­pen konn­ten dem spa­ni­schen Vor­marsch nichts ent­ge­gen­set­zen. Das kolum­bia­ni­sche Heer wur­de voll­kom­men auf­ge­rie­ben. Tun­ja wur­de besetzt eben­so wie Bogo­tá. Camil­lo Tor­res wur­de von den Spa­ni­ern erschos­sen. San­tan­der, Urda­ne­ta, Mari­ño, Piar und Ber­mu­dez konn­ten sich aber ret­ten und began­nen einen Gue­ril­la­krieg gegen die Spa­ni­er zu organisieren.(G. Masur, S. 250).

Moril­lo, der als “Paci­fi­ca­dor”, Frie­dens­brin­ger, in die Geschich­te ein­ging, ließ mit bru­ta­ler Här­te durch­grei­fen und ver­folg­te alle, die in den Ver­dacht gerie­ten, sepa­ra­tis­tisch gewe­sen zu sein, unnach­gie­big. Allein 7.000 voll­streck­te Todes­ur­tei­le ver­zeich­ne­ten die Spa­ni­er selbst. Die in den Kämp­fen Gefal­le­nen und nach der Nie­der­la­ge ohne Pro­zess ermor­de­ten Patrio­ten über­stei­gen die­se Zahl noch. Ent­eig­nun­gen und Ker­ker­haft bezie­hungs­wei­se Zwangs­ar­beit stan­den an der Tages­ord­nung. Die Frau­en der füh­ren­den Patrio­ten wur­den nach der Hin­rich­tung ihrer Män­ner aus Bogo­tá in königs­treue Gemein­den im gan­zen Land umge­sie­delt. Bis zum Erobe­rungs­feld­zug von Bolí­var, der mit der Schlacht von Boy­acá am 7. August die Herr­schaft der Kolo­ni­al­her­ren in Neu-Gra­na­da brach, änder­te sich an den Macht­ver­hält­nis­sen nichts.

Die Befreiung 1819 (Boyacá) und 1824 (Ayacucho)

Die Befrei­ung Neu­gra­na­das war das Resul­tat eines stra­te­gi­schen Schach­zu­ges von Boli­var, das sei­nes­glei­chen sucht. Er war 1816 über Hai­ti nach Vene­zue­la mit einem klei­nen Expe­di­ti­ons­korps zurück­ge­kehrt und in einem Gue­ril­la­krieg den Osten Vene­zue­las zurück­ge­won­nen, ins­be­son­de­ren Gua­ya­na und den Orino­ko. Dort konn­ten sie sich im Osten des Orino­ko fest­set­zen und sogar einen eige­nen Staat aus­ru­fen, die drit­te Repu­blik Vene­zue­la, mit der pro­vi­so­ri­schen Haup­stadt Angos­tu­ra, solan­ge Cara­cas noch von den Spa­ni­ern gehal­ten wur­de. Doch anstatt wie von Moril­lo erwar­tet, von die­sem repu­bli­ka­ni­schen ter­ri­to­rim den Ver­such zu unter­neh­men, den Nor­den Vene­zue­las anzu­grei­fen, mar­schier­te Boli­var mit eine Heer von ca. 2000 Mann über die Anden nach Neugranada.

Hilfe aus Haiti

Hai­ti war neben den USA das ein­zi­ge freie Land in Ame­ri­ka. Boli­var wur­de von Prä­si­dent Alex­an­der Peti­on (ein ehe­ma­li­ger Skla­ve) herz­lich auf­ge­nom­men und in all sei­nen Plä­nen sehr unter­stützt. Über das Ver­hält­nis der bei­den schreibt G. Masur S. 272 ff etwas Bemer­kens­wer­tes. Peti­on knüpf­te sei­ne Unter­stüt­zung Boli­va­res aller­dings an eine Bedin­gung: Die Befrei­ung der Skla­ven! Boli­var ging dar­auf ein, was — wie sich spä­ter her­aus­stell­te — einen wich­ti­gen Umbruch in sei­ner Visi­on und Staats­theo­rie dar­stel­len soll­te. Nach Hai­ti hat­ten sich auch eini­ge vene­zo­la­ni­sche und neu­gra­na­di­ni­sche Offi­zie­re geflüch­tet. Mit die­sen plan­te Boli­var nun eine erneu­te Lan­dung in Vene­zue­la. Das klei­ne Expe­di­ti­ons­heer von 250 Mann erhielt Waf­fen von Peti­on und auch eine klei­ne Folt­te von sechs Scho­nern, mit dem man am 31. März 1816 (also noch vor dem Fall Bogo­tás) auf­brach. Die Lan­dung war zunächst ein Fias­ko. (Genau­es kann man bei G. Masur S. 272 ff. nach­le­sen). Ein zwei­ter Anlauf kalpp­te aller­dings, weil Boli­var sich auf den Osten Vene­zue­las kon­zen­trier­te, auf das Urwald­ge­biet Gua­ya­nas. Von dort aus konn­te er zunächst den Fluss­lauf des Orino­cos befrei­en und nach­dem er sich mit Paez ver­bür­dern konn­ten die Repu­bli­ka­ner — nach sehr wech­seln­dem Kriegs­glück — den gesam­ten Osten Ven­zue­las, d.h. das Gebiet Gua­ya­na, befreien.

Die Befreiung des Orinoko

Die inne­ren Strei­tig­kei­ten der mili­tä­ri­schen Füh­rer des repu­bli­ka­ni­schen Hee­res waren mit ein Grund für Boli­var, mög­lichst rasch geord­ne­te und qua­si-staat­li­che Struk­tu­ren in dem eror­ber­ten Gebiet zu eta­blie­ren. Nach­dem das Hin­ter­land des Orino­kos eror­bert war und mit ihm die bei­den wich­tigs­ten Städ­te Angos­tu­ra und Ciu­dad Gua­ya­na, wur­de am 1. Novem­ber 1817 die drit­te Repu­blik gegrün­det, die vor­serst noch auf das Gebiet öst­lich des Orino­kos beschränkt war und — da Cara­cas noch in fes­ter Hand der Spa­ni­er und damit uner­reich­bar war — mit Angos­tu­ra als pro­vi­so­ri­schen Haupt­stad (heu­te Ciu­dad Boli­var) (Masur S. 312 f). Beim Auf­bau die­ses neu­en Staats­we­sen zeig­te sich, dass Boli­var aus den Zusam­men­brü­chen der ers­ten bei­den Repu­bli­ken, die ja nicht allein den mili­tä­ri­schen Schlä­gen, son­dern auch inter­nen Strei­tig­kei­ten geschul­det waren, gelernt hat­te. Hier ent­wi­ckel­te er nun sei­ne Auf­fas­sung vom Staat, die man m.E. durch­aus als Boli­vars Staats­theo­rie bezeich­nen kann (Genaue­res bei Masur S. 333 ff.) und die beim ers­ten par­la­men­ta­ri­schen Kon­gress in Angos­tu­ra am 15. Febru­ar 1819 vorstellte.

Am 16. Febru­ar wur­de Boli­var zum ers­ten Staats­prä­si­den­ten der neu­en Repu­blik gewählt und, da die Repu­blik sich im Krie­ge befand, mit außer­or­dent­li­chen Voll­mach­ten aus­ge­stat­tet. Er war nun die unan­ge­zwei­fel­te Füh­rer­ge­stalt im Befreiungskrieg.

Die Überquerung der Anden

Da sein Traum, Cara­cas und den Nor­den Vene­zue­las zurück­zu­er­obern nicht gelang, weil die Kräf­te­ver­hält­nis­se ein­fach nicht ent­spre­chend waren, ent­schloss er sich zu einem bei­spiels­lo­sen Coup. Anstatt dort anzu­grei­fen, wo Moril­lo es erwar­te­te, mar­schier­te er mit einer Grup­pe von ca. 2000 Mann über die Anden nach Neu­gra­na­da. Dort hat­ten sich in dem Grenz­ge­biet der Llanos zu Vene­zue­la, in Casa­na­re, die neu­gra­na­di­ni­schen Repu­bli­ka­ner unter San­tan­der fest­ge­setzt. Für die Spa­ni­er war es sehr schwie­rig, hier ein­zu­grei­fen, weil es ein sump­fi­ges und je nach Jah­res­zeit zwi­schen Tro­cken­zeit, Über­schwem­mung und Sumpf­ge­län­de wech­sel­te. Boli­var woll­te sich dort mit den Trup­pen San­tan­ders ver­ei­nen und die Spa­ni­er dann in Boya­ca überraschen.

Die Spa­ni­er hat­ten eine Divi­si­on im Osten Vene­zue­las, zwei an den Pas­sa­gen, die in das Hoch­land von Cara­cas führ­ten und eine auf den Méri­da-Anden, an der West­gren­ze Vene­zue­las. In Neu­gra­na­da, das ziem­lich bru­tal unter­wor­fen wor­den war, soll­te eine ein­zi­ge Divi­si­on zur Ver­tei­di­gung aus­rei­chen. Ober­fehls­ha­ber die­ser Divi­si­on war der noch jun­ge Artil­le­rie­obers­ten José María Bar­rei­ro. Die Spa­ni­er hat­ten sich in Neu­gra­na­da auf zwei stra­te­gisch wich­ti­ge Punk­te kon­zen­triert: Bogo­tá und Car­ta­ge­na. In Bogo­tá befand sich Sama­go, der neue Vize­kö­nig, und Car­ta­ge­na war für Neu­gra­na­da und für das gan­ze spa­ni­sche Kolo­ni­al­reich “das Tor zur Welt”.

Bolí­var ließ sei­nen Stell­ver­tre­ter in der Pro­vinz Apu­re, José Anto­nio Páez, ab der Jah­res­wen­de 1818/19 einen Ablen­kungs­feld­zug gegen Pablo Moril­lo füh­ren, der ihn glau­ben machen soll­te, dass Bolí­var auf Vene­zue­la fixiert blie­be. Als die Feld­zug­sai­son wegen der Regen­zeit zu Ende ging (nas­ses Schieß­pul­ver erfor­dert zu viel Nah­kampf), stieß Bolí­var mit über zwei­tau­send Mann unter äußerst schwie­ri­gen Bedin­gun­gen, da die Flüs­se über die Ufer getre­ten waren, von den Spa­ni­ern zu spät bemerkt, nach Casa­na­re, um sich dort mit den von San­tan­der auf­ge­stell­ten Trup­pen zu ver­ei­ni­gen. Páez hielt inzwi­schen die West­front Vene­zue­las gegen Moril­lo und führ­te einen unzu­rei­chend kur­zen Ablen­kungs­feld­zug am Fuß der Méri­da-Anden, wäh­rend ver­schie­de­ne Offi­zie­re die Spa­ni­er im Osten Vene­zue­las beschäf­tig­ten, wie Bolí­var es geplant hat­te. In Tame, einem Ort in Casa­na­re an der Ost­sei­te der öst­li­chen Kor­dil­le­re, tra­fen San­tan­der und Boli­var aufeinander.

(Die fol­gen­den Absät­ze sind ent­nom­men aus: Ste­fan Becks Latein­ame­ri­ka­se­i­ten)

Es gab zwei grö­ße­re Kolo­ni­al­stra­ßen, auf denen das Heer eini­ger­ma­ßen bequem auf die Ost­kor­dil­le­re gelan­gen konn­te, aber Ver­lus­te bei den zu erwar­te­ten Kämp­fen mit den Spa­ni­ern, die die Stra­ßen bewach­ten, ein­brin­gen wür­de. Der Weg dazwi­schen, über den fast vier­tau­send Meter hohen Para­mo (span.: Hoch­ebe­ne) de Pis­ba, wür­de Ver­lus­te in Form von Erschöp­fung und vor allem Erfrie­ren brin­gen, aber auf die­se Wei­se konn­ten sich die Patrio­ten län­ger unent­deckt hal­ten. Aus die­sem Grund zog Boli­var die­sen Weg vor. Er hat­te dies bereits bei der Vor­be­rei­tung gewußt, aber hat­te kei­ne Zeit mehr, um sei­nen Sol­da­ten wenigs­tens war­me Klei­dung zu beschaf­fen, von der eigent­lich nöti­gen Hoch­ge­birgs­aus­rüs­tung ganz zu schweigen.

Am 22. begann das mul­ti­na­tio­na­le Befrei­ungs­heer von Pore aus, wo die Trup­pen San­tan­ders war­te­ten, den Auf­stieg auf die Ost­kor­dil­le­re. Die aus Vene­zue­la gekom­me­nen Trup­pen hat­ten vor­her schon 600 Kilo­me­ter in einem Monat zurück­ge­legt. Im Tal des Rio Pay­pa began­nen die Patrio­ten ihren Marsch ins Gebir­ge. Im 900 Meter hoch gele­ge­nen Ort Paya traf San­tan­ders Vor­hut auf einen spa­ni­schen Außen­pos­ten, wo er die Spa­ni­er mit sei­ner nume­ri­schen Über­macht in die Flucht schlug. Nun wuss­ten die Spa­ni­er von der Anwe­sen­heit des Befrei­e­ungs­hee­res in Neu­gra­na­da. Nach­dem sie ihre Über­ra­schung über­wun­den hat­ten, setz­ten sie sich in Bewe­gung, um ihn beim Abstieg aus den Anden, emp­fan­gen zu können.

Monu­men­tal­denk­mal am Pan­ta­no de Vargas

Von Pay­pa aus waren es nur vier Tages­etap­pen bis ins Tal des Rio Soga­moso, der heu­te Chi­cam­ocha heißt, nach Socha. Wegen der Stra­pa­zen, die einem Drit­tel der Sol­da­ten Boli­vars das Leben kos­te­ten, und weil die Dis­zi­plin zusam­men­brach, kamen die letz­ten Ver­spreng­ten erst Mit­te Juli auf der West­sei­te de Para­mo de Pis­ba an. Die unglaub­li­chen Stra­pa­zen des Auf­stiegs über den Pass des Pis­ba, ver­bun­den mit völ­lig unzu­rei­chen­der Beklei­dung, sorg­ten dafür, dass Bolí­var etwa ein Drit­tel sei­ner Män­ner, um die tau­send Sol­da­ten, an Erschöp­fung und Käl­te star­ben (vgl. die ein­drucks­vol­le Schil­de­rung von Masur S. 349 ff). Boli­var war sei­nen Leu­ten vor­aus­ge­rit­ten und rich­te­te Ende Juni einen Auf­ruf an die Neugre­na­di­ner, in dem er bat, ihn zu unter­stüt­zen. Neben den vie­len Frei­wil­li­gen, die sich dem Heer anschlos­sen, aber sei­ne Ver­lus­te nicht aus­glei­chen konn­ten, tru­gen vie­le ört­li­che Gue­ril­la­trup­pen, die die Spa­ni­er beschäf­tig­ten und deren Trup­pen ban­den, ent­schei­dend zum Erfolg des Feld­zugs bei.

San­tan­ders Vor­hut erreich­te am 05. Juli Socha, wo sie auf den Rest des Hee­res war­te­te. Am 09. wuß­te Bar­rei­ro, der lan­ge im Dun­keln getappt war, wann und wo die Patrio­ten auf­tau­chen wür­den end­gül­tig Bescheid und ent­sand­te zwei jeweils 800 Mann umfas­sen­de Kon­tin­gen­te von sei­nem Haupt­quar­tier in Soga­moso Rich­tung Nor­den in die Orte Cor­ra­les und Game­za, etwa 30 Kilo­me­ter süd­west­lich von Socha auf bei­den Sei­ten des Flus­ses. Boli­var hat­te ihnen Trup­pen am 10. ent­ge­gen­ge­schickt, die in Cor­ra­les erfolg­reich waren, aber in Game­za zurück­ge­schla­gen wurden.

Der Über­gang dau­er­te für das gan­ze Heer gut zwei Wochen, bis Mit­te Juli, aber die Spa­ni­er lie­ßen Bolí­var nicht die Zeit, sein Heer aus­ru­hen und umor­ga­ni­sie­ren zu las­sen. Obwohl sein Heer noch nicht voll­stän­dig ein­satz­be­reit war, führ­te Boli­var selbst 1000, viel­leicht 1200 Sol­da­ten nach Game­za, wenn­gleich das War­ten auf den Rest sei­nes Hee­res nach­voll­zieh­ba­rer gewe­sen wäre. Bei Paya Socha, nörd­lich von Soga­moso, am damals gleich­na­mi­gen Fluss Soga­moso (heu­te: Chi­cam­ocha), gab es am 5. Juli ers­te Schar­müt­zel, bei denen Boli­var nur einen Teil sei­ner Trup­pe ein­set­zen konn­te, weil der größ­te Teil sei­nes Hee­res immer noch mit dem Abstieg aus den Ber­gen beschäf­tigt war. Ein vor­ge­scho­be­nes Batail­lon des Numan­cia-Regi­ments konn­te den Vor­marsch zwei Stun­den lang ver­zö­gern, bis die Patrio­ten an die Brü­cke über den Game­za-Bach gelang­ten, wo die Spa­ni­er ihre Haupt­ver­tei­di­gung auf­ge­baut hat­ten. Bar­rei­ro such­te der­weil nicht, die Initia­ti­ve an sich zu zie­hen, son­dern begnüg­te sich mit Trup­pen­be­we­gun­gen, die sei­ne Sol­da­ten immer in die güns­ti­ge­re Posi­ti­on brach­ten, bevor Boli­var ein­traf. Außer­dem war­te­te er auf Ver­stär­kung aus Bogo­tá. Er hat­te sein Haupt­quar­tier nach Pai­pa ver­legt, in des­sen Nähe sich ein Sumpf, der Pan­ta­no de Var­gas, befin­det. Boli­var hat­te sich bei sei­nen Umge­hun­gen inzwi­schen ver­gal­lo­piert und konn­te nicht mehr zurück, ohne den Spa­ni­ern ein leich­tes Zeil zu bie­ten. Mit dem Sumpf im Rücken und den Geg­nern auf den umlie­gen­den Höhen­zü­gen, hat­te er am 25. Juli kei­ne ande­re Wahl mehr, als berg­auf anzugreifen.

Am Pan­ta­no de Var­gas stie­ßen bei­de Hee­re erst­mals direkt auf­ein­an­der, bei denen aber nie­mand als Sie­ger her­vor­ging. Dann begann Bolí­var das Manö­ver, das dem Feld­zug letzt­lich legen­där mach­te. Er täusch­te am Nach­mit­tag des 4. August einen Rück­zug nach Osten vor, ließ nach Ein­bruch der Dun­kel­heit kehrt­ma­chen, zuerst zurück nach Wes­ten und dann nach Süden, öst­lich des Rio Chi­cam­ocha, auf Tun­ja zu, mar­schie­ren. Bis Bar­rei­ro am nächs­ten Tag begrif­fen hat­te, dass Bolí­var ihn getäuscht hat­te, stand die­ser bereits vor der Pro­vinz­haupt­stadt, die er am mor­gen des 5. August pro­blem­los mit der Kaval­le­rie einnahm.

Die Schlacht von Boyaca 1819

Die Spa­ni­er fan­den die Patrio­ten am fol­gen­den Tag nicht mehr dort, wo sie sie ver­mu­te­ten, aber beim Nach­schub­fas­sen, erfuhr der völ­lig über­rasch­te Stabs­chef von Bar­rei­ro, daß Boli­var Tun­ja ein­ge­nom­men hat­te. Bar­rei­ro hat­te nicht nur die Pro­vinz­haupt­stadt Tun­ja ein­ge­büßt, son­dern, was noch schlim­mer war, die Ver­bin­dung zu Vize­kö­nig Sáma­no war unter­bro­chen. Nun, als es zu spät war, zeig­te er Initia­ti­ve und hetz­te sei­ne Sol­da­ten auf der West­sei­te des Chi­cam­ocha (damals hieß der Fluss Soga­moso) auf Tun­ja zu. Nun hat­te Bolí­var die Wahl des Gefechts­or­tes, da er genau wuss­te, wie wich­tig die Ver­bin­dung nach Bogo­tá war. Barei­ro erreich­te Tun­ja am 6., ließ es aber nicht ein­neh­men und ver­such­te statt­des­sen, nach Süden, hin­ter die Sepa­ra­tis­ten zu gelan­gen. Ein in ost-west­li­cher Rich­tung flie­ßen­der Fluss, der Rio Teatri­nos, mach­te wegen der Regen­zeit die Benut­zung einer Brü­cke unum­gäng­lich. Hier ver­lief auch eine Haupt­stra­ße, die ein schnel­le­res Mar­schie­ren gestattete.

Boli­var hat­te nur eine klei­ne Gar­ni­son in Tun­ja gelas­sen und war noch in der Nacht Rich­tung Süden auf­ge­bro­chen. Bar­rei­ro folg­te zwar noch vor Tages­an­bruch, aber nun hat­te der Befrei­er die Platz­wahl, wäh­rend die Spa­ni­er von den Eil­mär­schen erschöpft waren. An der Brü­cke von Boya­ca erwar­te­te er, ver­steckt hin­ter einen Hügel die in Kolon­ne mar­schie­ren­den Spa­ni­er, wäh­rend sei­ne Vor­hut auf der Süd­sei­te der Brü­cke in Stel­lung ging. Das war der Ort, an dem Bolí­var sei­ne Sol­da­ten ver­steck­te und auf die Spa­ni­er war­te­te. Wäh­rend die Vor­hut von San­tan­der an der Brü­cke Stel­lung bezog, blieb die Haupt­di­vi­si­on Anzoá­te­gu­is hin­ter den Hügeln am Weg­rand, mit Bolí­var, der sich die Füh­rung der Reser­ve vorbehielt.

Als die Spa­ni­er am 7. August gegen 14 Uhr ein­tra­fen, sahen sie ledig­lich eini­ge Rei­ter, denen sie jedoch kei­ne wei­te­re Beach­tung schenk­ten, da sie so schnell wie mög­lich über die Brü­cke woll­ten. Durch den schnel­len Marsch befand sich die Vor­hut Bar­rei­ros etwa einen Kilo­me­ter vor der spa­ni­schen Haupt­macht, was die Auf­ga­be für die Patrio­ten erheb­lich erleich­ter­te. San­tan­ders Vor­hut bei der Brü­cke eröff­ne­te das Gefecht, aber die Spa­ni­er glaub­ten immer noch nicht, dass es hier zur ent­schei­den­den Schlacht kom­men wer­de. Als Anzoá­te­gu­is Divi­si­on aus den Ver­ste­cken auf­tauch­te, war es zu spät, um in For­ma­ti­on zu gehen, um der Atta­cke ange­mes­sen zu begeg­nen. Ein reich­lich ver­är­ger­ter Rich­ter des nun ehe­ma­li­gen könig­li­chen Gerichts­hofs in Bogo­tá schrieb sei­nem König Fer­di­nand VII. am 19. Okto­ber: „Er ermü­de­te Eure König­li­che Divi­si­on, damit sie ihn ein­ho­len konn­te, [und] als sie dies geschafft hat­te, erwar­te­te sie der Feind an einem zer­klüf­te­ten Ort, wo sie weder auf­mar­schie­ren, noch die Kaval­le­rie ope­rie­ren las­sen konn­te, er nahm eine vor­teil­haf­te Posi­ti­on auf den Höhen ein, die das Gelän­de beherrsch­ten, und mög­li­cher­wei­se ging sie furcht­sam in die Ver­tei­di­gung des Punk­tes, zer­streu­te sich in ihrer Ver­wir­rung, und, in weni­ger, Herr, als zwan­zig Minu­ten, lös­te sie sich auf, Gene­ral­kom­man­dant Bar­rei­ro und sein Stell­ver­tre­ter Jimé­nez gerie­ten in Gefan­gen­schaft, ohne, dass es ein Mas­sen­ster­ben gege­ben hät­te, man kann sagen, es gab kei­ne Schlacht.“ (Zitat aus Gar­cía Vallecillos)

Die Brü­cke von Boyaca

Die Ver­fol­gung mit­ge­rech­net, geben die Repu­bli­ka­ner für die Schlacht zwei Stun­den an. Der Sieg wur­de sicher nicht mit einer Kühn­heit errun­gen, wie sie zum Bei­spiel José Anto­nio Páez bei dem denk­wür­di­gen Tref­fen an den Que­se­ras del Medio (Mitt­le­re Käse­rei­en) bei der Ablen­kungs­kam­pa­gne am Jah­res­an­fang gezeigt hat­te. Es war viel­mehr ein Sieg der haus­hoch über­le­ge­nen stra­te­gi­schen Fähig­kei­ten des Simón José Anto­nio de la San­tis­si­ma Tri­ni­dad Bolí­var y Pala­ci­os, die zur dama­li­gen Zeit in Süd­ame­ri­ka ein­zig­ar­tig war. Mit einer ein­zi­gen Bewe­gung, einem nächt­li­chen Eil­marsch, hat­te er die Hei­mat­ver­tei­di­gung Neu­gra­na­das düpiert und sei­ne anfäng­li­che Unter­le­gen­heit in eine unwi­der­steh­li­che Supe­rio­ri­tät ver­wan­delt. Selbst, wenn die Spa­ni­er in die­sem Moment aus­schließ­lich hoch­mo­ti­vier­te Eli­te-Sol­da­ten hät­ten auf­bie­ten kön­nen, wäre den Frei­heits­kämp­fern der Sieg nicht zu neh­men gewe­sen. Da aber bis auf die Offi­zie­re fast aus­schließ­lich Süd­ame­ri­ka­ner in den Rei­hen der Kolo­ni­al­ar­mee stan­den, konn­ten die Repu­bli­ka­ner die drit­te Divi­si­on zer­schla­gen. Sie mach­ten 1600 Gefan­ge­ne, die zusam­men mit den etwa 200 Toten und Ver­wun­de­ten zwar nicht die gan­ze Streit­macht umfass­ten, aber den Flüch­ti­gen, die sich nicht spä­ter erga­ben oder über­lie­fen setz­ten die nun mora­lisch und per­so­nell gestärk­ten ört­li­chen Patrio­ten uner­bitt­lich nach.

Pablo Moril­lo hat­te seit 1817 für die­se mehr­heit­lich aus Süd­ame­ri­ka­nern bestehen­de Divi­si­on ver­geb­lich Ver­stär­kun­gen aus Spa­ni­en ange­for­dert, da er an ihrer Loya­li­tät zwei­fel­te. Daher kapi­tu­lier­te Bar­rei­ro recht schnell, aber durch die geschick­te Platz­wahl Boli­vars hät­ten auch spa­ni­sche Eli­te­trup­pen das Ende nur ver­zö­gern, aber nicht abwen­den kön­nen. Des­we­gen waren die Ver­lus­te an Toten und Ver­wun­de­ten an die­sem Tag rela­tiv gering. Bei­de Hee­re umfaß­ten etwa 3000 Mann, wobei die Spa­ni­er 200 Sol­da­ten ver­lo­ren und die Patrio­ten zir­ka ein Drit­tel davon. Aber rund 1600 Sol­da­ten gin­gen in Gefan­gen­schaft. Von den ver­blei­ben­den 1200 Roya­lis­ten, deser­tier­ten zwar vie­le, aber eini­ge Ein­hei­ten blie­ben fast kom­plett intakt und ver­stärk­ten die loka­len Gar­ni­so­nen, die sich der Rück­erobe­rung des gesam­ten Lan­des widersetzten.

In den frü­hen Mor­gen­stun­den des 09. August wur­de Vize­kö­nig Sama­no die Nach­richt der ver­hee­ren­den Nie­der­la­ge über­bracht, und er berief sein Kabi­nett ein, um es auf­zu­lö­sen, sowie sei­ne Flucht vor­zu­be­rei­ten. Als India­ner ver­klei­det, stahl er sich im Mor­gen­grau­en aus Bogo­ta, um in Hon­da ein Schiff zu neh­men, das ihn nach Car­ta­ge­na brach­te. Von Pana­ma aus ver­such­te er wei­ter zu regie­ren, aber sei­ne eige­nen Leu­te erkann­ten ihn nicht mehr an, obwohl er sich für sei­ne letz­ten Lebens­mo­na­te Anfang 1821 noch ein­mal den Titel des Vize­kö­nigs hat­te ver­lei­hen lassen.

Noch auf dem Schlacht­feld hat­ten eini­ge sei­ner Offi­zie­re Boli­var gebe­ten, sie zur Befrei­ung ihrer Hei­mat­or­te frei­zu­stel­len und mit Sol­da­ten zu ver­se­hen. Die­ser kam den Wün­schen nach und schick­te selbst noch eini­ge ande­re aus, die sich wich­ti­ger Städ­te bemäch­ti­gen soll­ten. Er selbst zog am 10. in Bogo­ta ein und koor­di­nier­te die mili­tä­ri­schen Ope­ra­tio­nen und lei­te­te den Auf­bau sei­ner Repu­blik Groß­ko­lum­bi­en. Mit San­tan­der als Stell­ver­tre­ter rich­te­te er in den fol­gen­den Wochen repu­bli­ka­ni­sche Struk­tu­ren ein und berei­te­te das Land auf die Befrei­ung aller Pro­vin­zen und der Nach­bar­län­der vor. Pablo Moril­lo wuß­te genau, wie­so er der ver­lo­re­nen Res­sour­cen Neu­gra­na­das nachtrauerte.

Wäh­rend die Königs­treu­en ihre Flucht, meis­tens auf dem Rio Mag­da­le­na nach Car­ta­ge­na oder nach Süden Rich­tung Ecua­dor vor­be­rei­te­ten, nah­men die Abtei­lun­gen Boli­vars, ver­stärkt von ört­li­chen Gue­ril­las, eine Rei­he von wich­ti­gen Pro­vin­zen ein. José Maria Cor­do­ba befrei­te “sein” Antio­quia noch im August. Leo­nar­do Infan­te besetz­te Hon­da in der Pro­vinz Mari­qui­ta, und Anzoa­te­gui stell­te in der Pro­vinz Pam­plo­na ein Heer zur Grenz­si­che­rung gegen die Roya­lis­ten in West­ve­ne­zue­la auf.

Sebas­ti­an de la Calzada hat­te sich zum Zeit­punkt der Schlacht in Bogo­ta befun­den. Er über­nahm das dort sta­tio­nier­te Batail­lon Ara­gon und zog damit Rich­tung Popayan. Ambro­sio Pla­za erhielt von Boli­var den Auf­trag, die Spa­ni­er zu ver­fol­gen. Schon vor dem Ein­tref­fen von Nico­las Lopez, der einen Teil der Flücht­lin­ge von Boya­ca dem Heer de la Calzadas anschloß, waren die Ver­fol­ger nicht aus­rei­chend stark, um einen Angriff zu ris­kie­ren. Auch die loka­len Patrio­ten, die sich zu Gue­ril­la-Trup­pen zusam­men­ge­schlos­sen hat­ten, konn­ten die Spa­ni­er kaum mehr als beläs­ti­gen. Anfang Sep­tem­ber teil­te de la Calzada sei­ne Trup­pen auf. Wäh­rend er mit rund 400 Sol­da­ten nach Popayan zog, soll­te Miguel Rodri­guez fünf­hun­dert Mann über die Zen­tral­kor­dil­le­re ins Tal des Rio Cau­ca führen.

Joa­quin Rica­ur­te, der die ver­gan­ge­nen Jah­re krank in Casa­na­re ver­bracht hat­te, war nach dem Sieg Boli­vars ins Kern­land zurück­ge­kehrt. Im Cau­ca­tal brach­te er 2000 bewaff­ne­te Patrio­ten zusam­men, die am 29. Sep­tem­ber bei einer Hazi­en­da namens San Jua­ni­to, bei Buga, nörd­lich von Cali, Rodri­guez Trup­pe auf­rieb. Die­ser letz­te Sieg des letz­ten über­le­ben­den Gene­rals der Ers­ten Repu­blik, brach­te nicht nur die Befrei­ung des Cau­ca­tals, son­dern zwang de la Calzada oben­drein zum Rück­zug nach Pasto.

Die Spa­ni­er auf der Ost­kor­dil­le­re hat­ten sich ange­sichts der vor­rü­cken­den Patrio­ten, denen sich loka­le Gue­ril­la-Grup­pen anschlos­sen, zurück­zie­hen müs­sen, sodaß auch die Pro­vinz Pam­plo­na im Sep­tem­ber an die Repu­blik fiel. Anzoa­te­gui hat­te den Auf­trag, ein Heer gegen die Divi­si­on de la Tor­res auf­zu­stel­len, der die Pro­vinz nach wie vor bedroh­te. Das Unent­schie­den zwi­schen dem Spa­ni­er und Car­los Sou­blet­te, der die vene­zo­la­ni­schen Ver­bän­de in ihre vor­he­ri­gen Ope­ra­ti­ons­ge­bie­te zurück­brach­te, änder­te nichts an der Not­wen­dig­keit für die Patrio­ten, ein Heer in der Grenz­re­gi­on zu hal­ten, um ein Gleich­ge­wicht zu errei­chen, damit die Spa­ni­er nicht ein­fal­len konn­ten. Die­se Trup­pen fehl­ten bei der anste­hen­den Erobe­rung der Nord­küs­te. Erschwe­rend kam im Novem­ber der krank­heits­be­ding­te Tod Anzoa­te­gu­is hin­zu. Bar­to­lo­mé Salom über­nahm sei­ne Auf­ga­ben und schaff­te es im fol­gen­den Janu­ar die Spa­ni­er auf Meri­da zurückzuwerfen.

Der Kongress von Angostura 1819

Boli­var war ja nicht nur Heer­füh­rer, son­dern auch Prä­si­dent der Repu­blik Vene­zue­la. Nun sah er die Gele­gen­heit sei­ne Visi­on von einer Ver­ei­ni­gung von Neu­gra­na­da und Vene­zue­la umzu­set­zen. Die Spa­ni­er hat­ten Neu­gra­na­da nahe­zu voll­stän­dig auf­ge­ben müs­sen. Ledig­lich Car­ta­ge­na und die Küs­ten­re­gi­on der Kari­bik, die Grenz­re­gi­on zu Ecua­dor sowie Cucu­ta war noch in spa­ni­scher Hand. In Bogo­tá wur­de San­tan­der damit beauf­tragt, eine zivi­le Ver­wal­tung auf­zu­bau­en, als Stell­ver­tre­ter des Libertadors.

Boli­var kehr­te nach Angos­tu­ra zurück. Dort woll­te er einen Kon­gress vor­be­rei­ten, der über den Zusam­men­schluss von Vene­zue­la, Neu­gra­na­da und der — nach wie vor von den Spa­ni­ern besetz­ten — Pro­vinz Qui­to (heu­te: Ecua­dor) zur “Repu­blik Kolum­bi­en” bera­ten und beschlie­ßen soll­te. Die­ser Beschluss wur­de am 17. Dezem­ber 1819 in Angos­tu­ra gefasst. Die­se soll­te drei gro­ße Depart­a­ment­os umfas­sen: Vene­zue­la, Cun­di­na­mar­ca und Qui­to. Neben dem Prä­si­den­ten und dem Vize­prä­si­den­ten der Zen­tral­ge­walt soll­te jedes Depart­a­men­to über einen eige­nen Gou­ver­neur ver­fü­gen, der der Titel “Vize­prä­si­dent” tra­gen soll­te. Boli­var wur­de ein­stim­mung zum Prä­si­den­ten gewählt, Zea (ein Neu­gra­na­di­ner) zum Vize­prä­si­den­ten. Die Vize­prä­si­den­ten der Depart­a­ment­os wur­den San­tan­der (für Cun­di­na­mar­ca) und Roscio für Vene­zue­la. Roscio starb aller­dings kurz nach sei­ner Eren­nung. Sein Nach­fol­ger wur­de Gene­ral Anzuola, der aller­dings auch kurz nach der Befrei­ung Cara­cas’ 1820 starb. Dar­auf­hin ernann­te Boli­var, den kurz zuvor aus spa­ni­schem Ker­ker in Cadiz ent­las­se­nen Anto­nio Nari­ño zum Vize­prä­si­den­ten Ven­zue­las. Qui­to war noch nicht befreit. Des­halb wur­de die Wahl die­ses Vize­prä­si­den­ten ver­scho­ben. Gleich­zei­tig wur­de beschlos­sen im Janu­ar 1820 einen Kon­gress in Cucu­ta statt­fin­den zu las­sen, der dem neu­en Staat Kolum­bi­en eine demo­kra­ti­sche und repu­bli­ka­ni­sche Ver­fas­sung geben soll­te. Auch die Ent­schei­dung über die zukünf­ti­ge Haupt­stadt des Lan­des soll­te dort gefällt wer­den. In Bogo­tá wur­den eini­ge Tage spä­ter unter San­tan­ders Lei­tung, die Beschlüs­se von Angos­tu­ra in einer Nota­b­len­ver­samm­lung ein­stim­mig gebil­ligt (Masur S. 385).

Der Ein­gang zur Quin­ta Boli­var in Bogotá

Waffenstillstand 1820

Noch aber waren die Spa­ni­er im Lan­de. Und immer noch gin von ihnen eine Bedro­hung aus. Ein wei­te­res Expe­di­ti­ons­heer war ange­kün­digt wor­den. Aber dazu kam es nicht mehr. Wie­der ein­mal hat­ten Ereig­nis­se, die sich im fer­nen Spa­ni­en zutru­gen, ent­schei­den­de Wir­kun­gen auf die neue kolum­bia­ni­sche Repu­blik. Am 1. Janu­ar 1820 meu­ter­ten in Cadiz die Trup­pen, die nach Süd­ame­ri­ka geschickt wer­den soll­ten. Die­ser Auf­stand griff schnell auf das gan­ze Land über, wo man den König zur Wie­der­ein­füh­rung der Ver­fas­sung, die er nach sei­ner Rück­kehr auf den Thron sus­pen­diert hat­te, auf­for­der­te. Der König knick­te ein und leg­te am 9. Mai den Eid auf die Ver­fas­sung einer nun nicht mehr abso­lu­tis­ti­schen son­dern kon­sti­tu­tio­nel­len Mon­ar­chie ab. Moril­lo wur­de nun ange­wie­sen in Vene­zue­la die Ver­fas­sung zu ver­öf­fent­li­chen und den Frie­den in den Kolo­nien her­zu­stel­len. Der Krieg droh­te das Mut­ter­land zu rui­nie­ren. Moril­lo muss­te die poli­ti­schen Gefan­ge­nen frei­las­sen und sie unter den Schutz der Ver­afs­sung stel­len. Moril­lo beug­te sich, aber mit Groll. Er rief in Cara­cas eine “Jun­ta de Paci­fi­ca­ción” ein. Die­se sand­te ein Rund­schrei­ben an alle Heer­füh­rer der repu­bli­ka­ni­schen Armee und schlug einen Waf­fen­stills­zand von einem Monat vor, um über eine endggül­ti­ge Beed­ni­gung des Krie­ges zu bera­ten. Aber Moril­lo wur­de für anste­hen­de Ver­hand­lun­gen an den “Prä­si­den­ten der Repu­blik Kolum­bi­en” ver­wie­sen. Boli­var woll­te nicht von “Heer­füh­rer” zu Heer­füh­rer ver­han­deln, son­dern von Staat zu Staat. So bliebt Moril­lo nichts ande­res übrig, als mit Boli­var in sei­ner Eigen­schaft als Prä­si­dent einer unab­hän­gi­gen Repu­blik zu ver­han­deln, was qua­si einer Aner­ken­nung der Unab­hän­gig­keit gleich­kam. Moril­lo zöger­te. Boli­var nut­ze die Zeit für einen über­ra­schen­den Vor­stoß nach Ven­zue­la schreib aber gleich­zei­tig an Moril­lo, dass ihm sehr an einem Frie­den gele­gen wäre. Und tat­säch­lich, am 25. Novem­ber wur­de ein sehcs­mo­na­ti­ger Waf­fen­still­stand unter­schrie­ben, der das gan­ze Gebiet der kolum­bia­ni­schen Repu­blik umfass­te. (Masur S. 401). Und am 27. Novem­ber tra­fen sich die bei­den Heer­füh­rer per­sön­lich in San­ta Ana de Tru­ji­l­lo, einer klei­nen Ort­schaft öst­lich des Lago de Mara­cai­bo in Vene­zue­la (vgl. den sehr amü­san­ten Bericht über die­ses Tref­fen bei G. Masur S. 402 f.). Kurz nach dem Tref­fen von San­ta Ana erklär­te Moril­lo sei­nen Rück­tritt als Ober­kom­man­die­ren­der der spa­ni­schen Streit­kräf­te und segel­te nach Euro­pa zurück. Sein Nach­fol­ger war Gene­ral La Tor­re, der — Iro­nie des Schick­sals — mit einer Ver­wand­ten Boli­vars ver­hei­ra­tet war.

Entscheidung in Carabobo

Aber der Waf­fen­still­stand wird gebro­chen., weil der kolum­bia­ni­sche Gene­ral Urda­ne­ta, der in Mara­cai­bo gebo­ren war, sich an iner Erhe­bung in der zu die­ser Zeit noch von den Spa­ni­ern besetz­ten Stadt betei­ligt hat. Boli­var hat­te dies zwar öffent­lich aus­drück­lich miss­bi­ligt, intern aber Urda­ne­te zum Erfolg beglück­wünscht und sei­ne Heer­füh­rer auf die Wie­der­auf­nah­men von Kampf­hand­lun­gen vor­be­rei­tet. Am 9. Okto­ber 1820 war in Gua­ya­quil eine Erhe­bung gegen die spa­ni­sche Herr­schaft aus­ge­bro­chen. Da Qui­to als drit­ter Bestand­teil der kolum­bia­ni­schen Repu­blik ange­se­hen wird. beglück­wünscht Boli­var die Auf­stän­di­schen und sichert ihnen die Unter­stüt­zung Kolum­bi­ens zu. Natür­lich beschul­dig­te La Tor­re Boli­var des Bruchs der Waf­fen­still­stands­ver­ein­ba­rung. Es begann ein diplo­ma­ti­sche Spiel. Boli­var schlug vor, einen neu­en Waf­fen­still­stand zu ver­ein­ba­ren, schraub­te dabei aber die For­de­run­gen hoch. La Tor­re lehn­te ab und erklär­te das Ende der Waf­fen­ru­he zum 28. April 1820. Die Kampf­hand­lun­gen began­nen erneut. Am 15. Juni stan­den sich bei­de Armeen erneut gegen­über. Boli­var war es gelun­gen, die drei West­ar­meen der Repu­blik zusam­men­zu­füh­ren und sich mit Urda­ne­ta und Paez zu ver­ei­ni­gen. Damit hat­ten sie eine gewal­ti­ge Streit­macht von 6.500 Mann und waren erst­mals den Spa­ni­ern (5.000 Mann) zah­len­mä­ßig über­le­gen. In den Ebe­nen von Cara­bo­bo, ein Platz den La Tor­re sich selbt für die Schlacht aus­ge­sucht hat­te, wur­de die spa­ni­sche Armee ver­nich­tend gechla­gen. Von 5.000 Sol­da­ten über­leb­ten nur 400 (Masur S. 413). Die Schlacht von Cara­bo­bo war neben der Schlacht von Boya­ca die zwei­te ent­schei­den­de Schalcht, die letzt­end­lich das Ende der spa­ni­schen Herr­schaft in Kolum­bi­en bedeu­te­te. Zwar konn­ten sich La Tor­re und Mora­les in die Fes­tung Puer­to Cabel­lo flüch­ten, konn­ten von dort aus aber kei­ne ent­schei­den­den Vor­stö­ße mehr unter­neh­men. Es folg­te ein tri­um­pha­ler Ein­zug Boli­vars in Cara­cas am 29. Juni 1820. .Auch Vene­zue­la war nun befreit.

Die Verfassung von Cucuta 1821

Der Kon­gress von Cucu­ta wähl­te Boli­var zum Prä­si­den­ten der “Repu­bli­ca de Colom­bia”. Am 3. Okto­ber 1821 leg­te er den Amts­eid auf die neue Ver­fas­sung ab. Die­se Ver­fas­sung war in eini­gen Punk­ten anders als in den Beschlüs­sen von Angos­tu­ra. Der Prä­si­dent soll­te sin Amt nur für 4 Jah­re beklei­den und nur ein­mal wie­der­ge­wählt wer­den. Die Legis­la­ti­ve bestand aus zwei Kam­mern: einem Age­ord­ne­ten­haus, das auf vier Jah­re gewählt wird und einem Senat, der auf acht Jah­re gewählt wird (also nicht, wie Boli­var es sich wünsch­te lebens­lang). Es gab einen Vize­prä­si­den­ten und ein Kabi­nett bestehend aus fünf Staats­se­kre­tä­ren und einem Mit­glied des Obers­ten Gerichts­ho­fes. D.h. die regio­na­len Vize­prä­si­den­ten wur­den abge­schafft. An ihrer Stel­le wur­de das Amt des Inten­dan­ten geschaf­fen. Aber die drei in Angus­tu­ra vor­ge­schla­gen Depart­a­ment­os wur­den ersetzt durch meh­re­re klei­ne­re Pro­vin­zen. Vene­zue­la wur­de in drei, Neu­gra­na­da in vier Pro­vin­zen geglie­dert. Als Haupt­stadt wur­de Bogo­tá fest­ge­legt, was eini­ge Vene­zo­la­ner ver­är­ger­te. Und auch die Skla­ve­rei wur­de, Boli­vars Ver­spre­chen zum Trotz, nicht grund­sätz­lich abge­schafft, son­dern nur für die Söh­ne und Töch­ter der gegen­wär­ti­gen Skla­ven. Boli­var hät­te ger­ne Nari­ño als Vize­prä­si­den­ten gehabt. Aber der konn­te ich bei den Par­la­men­ta­ri­ern nicht durch­set­zen. Des­halb schlug Boli­var dann San­tan­der vor, der auch gewählt wurde.

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